Johannes-Mathesius-Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
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Èeská verze
Glaube und Heimat. Mitteilungsblatt der Johannes-Mathesius-Gesellschaft
Albrecht Altdorfer: Anbetung der Könige

Weihnachten 2009


Kommt herzu,
lasset uns dem Herrn frohlocken
und jauchzen dem Hort unseres Heils!

Psalm 95,1




Albrecht Altdorfer:
Anbetung der Könige (um 1530)




Liebe Mitglieder und Freunde unserer Gesellschaft,
liebe Schwestern und Brüder,

noch ganz unter dem Eindruck der Erinnerung und Feierlichkeiten an den Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren am 9. November 1989 stehend, verfasse ich an Sie diese Zeilen des Grußwortes.

Weitestgehend durch die evangelische Kirche in Leipzig organisiert, haben die Montags-Friedensgebete letztlich zum Sturz eines ganzen Systems in Osteuropa geführt. Die sozialistischen Regime sind durch demokratische Regierungen ersetzt worden, mit dem Ergebnis der Osterweiterung der Europäischen Union (EU), einschließlich der Anerkennung deren Gesetzlichkeiten.

In diesem geeinten Europa findet eine Annäherung der durch den unseligen 2. Weltkrieg getrennten Völker statt. Dabei geht es auch um einen Ausgleich bzw. einen Vergleich mit den aus der Heimat vertriebenen Menschen.

In diesem Ausgleichsprozess ist unsere Johannes-Mathesius-Gesellschaft Evangelische Sudetendeutsche e.V. auf christlicher evangelischer Basis aktiv integriert und setzt sich für die Interessen der evangelischen Christen in Böhmen, Mähren und Schlesien ein.

Aus diesem Grunde werden durch unsere Gesellschaft auch die gemeinsamen evangelischen Wurzeln aus der Vergangenheit von unseren Theologen untersucht, bewertet und mit viel Verständnis in oft mühevollem Aufwand der heutigen Zeit nahe gebracht.

So ist beispielsweise die Untersuchung über den "Indianerapostel" David Zeisberger zu sehen, der aus Zauchtel Sudetenland stammend, im 18. Jahrhundert durch die Brüderunität Herrnhut/Sachsen in Amerika das Evangelium verkündete. Das Ergebnis ist heute dort noch zu erleben.

So ergibt sich aus der großen Historie der Sudetendeutschen eine wunderbare Verbindung von der Vergangenheit bis in die Gegenwart, die jetzt noch mit Leben erfüllt ist.

Mit diesen nachdenklichen Worten wünsche ich Ihnen allen in Böhmen, Mähren, Schlesien, Österreich und Deutschland eine gesegnete Weihnacht 2009 und für die kommende Zeit Gesundheit und Gottes Segen.

Ihr Karlheinz Eichler
Vorsitzender



Herzlichen Dank!

Der Vorstand dankt allen Mitgliedern und Freunden für die Spenden, die im Laufe des zu Ende gehenden Jahres überwiesen wurden. Diese Zuwendungen helfen uns sehr, unser Wirken für das Anliegen der Evangelischen Sudetendeutschen weiterhin zu bewahren und fortzusetzen. Aber auch wir spüren in den vergangenen beiden Jahren - wie viele andere gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Organisationen - dass die Spendenmöglichkeiten unserer Mitglieder und Freunde zurückgehen.

Wir weisen auch in diesem Jahr auf die Änderungen im Steuerrecht hin. Finanzielle Zuwendungen werden auch ohne besondere Spendenbescheinigung von den Finanzämtern steuerbegünstigt anerkannt, wenn der Steuerpflichtige die Zuwendung durch eine von der Bank abgestempelte Überweisungsdurchschrift oder einen Kontoauszug nachweisen kann.

Unsere Mitgliederversammlung hat bereits 2008 beschlossen, dass wir für Zuwendungen ab 100 Euro im Einzelfall oder für Zuwendungen ab 100 Euro im Kalenderjahr insgesamt nach Ablauf des Kalenderjahrs unaufgefordert Spendenbescheinigungen ausstellen. Wir weichen damit von den steuerrechtlichen Bestimmungen ab, die die Spendenbescheinigungen erst bei Zuwendungen von mehr als 200 Euro im Einzelfall vorsehen.

Sollte jemand darüber hinaus, d.h. bei Spenden unter 100 Euro eine Spendenbescheinigung benötigen, teilen Sie das bitte unserer Schatzmeisterin mit:

    Johanna Gerstberger
    Schumannstr. 28, 71640 Ludwigsburg
    E-Mail: mathesius@volny.cz
    Telefon: 07141 - 87 58 17
    (bitte benützen Sie bei Abwesenheit den Anrufbeantworter,
    der rund um die Uhr beschaltet ist!)

Auf den Überweisungsvordrucken, die dieser Ausgabe von "Glaube und Heimat", beigefügt sind, ist auf der Rückseite der Überweisungsdurchschrift wieder die Anerkennung unserer Tätigkeit als mildtätig (wissenschaftlich) durch das Zentralfinanzamt in Nürnberg vermerkt.

Ganz wichtig für uns ist:

Sie können uns künftig bei der Herstellung und dem Versand von "Glaube und Heimat" helfen, Kosten zu sparen. Wer über einen Internetanschluss verfügt, kann unsere Zeitschrift auch digital empfangen. Je mehr von Ihnen sich für diesen digitalen Empfang entscheiden, um so mehr Kosten für Druck und vor allem für den Versand können wir einsparen. Diese Mittel stehen uns dann zur Finanzierung anderer Aufgaben zur Verfügung.

Die Einzelheiten können Sie auf Seite 23 im Einzelnen nachlesen. Sie können sich in Ruhe überlegen, ob und für welche Art des digitalen Empfangs Sie sich entscheiden möchten. Auch wenn Sie unsere Zeitschrift weiterhin in gedruckter Form erhalten möchten, aber über eine E-Mail-Adresse verfügen, teilen Sie uns diese bitte auf jeden Fall mit.



Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.
Lukas 1,68

Der wichtigste Augenblick bei der Geburt eines Kindes, ist, wenn es seinen Mund aufmacht, zum erstenmal Atem holt - und anfängt zu schreien. So ein Schrei ist auch der Bibelvers aus dem Lukasevangelium.

Lukas erzählt es in seiner Adventsgeschichte aber kurioserweise genau umgekehrt: Nicht das Kind, und auch nicht die Mutter, sondern der Vater von Johannes dem Täufer beginnt plötzlich, wie ein Prophet zu reden und aus voller Kehle Gott zu loben.

Neun Monate lang war der Priester Zacharias - nein, nicht schwanger, sondern stumm, nachdem ihm der Engel die Geburt eines Sohnes angekündigen wollte und er ihm nicht geglaubt hatte. Er hatte wohl in seinem langen Leben schon zu viele Enttäuschungen erlebt, war zu sehr Realist, als daß er an so etwas noch glauben konnte.

Recht und Gerechtigkeit sind in der Welt ein schöner Traum und werden es auch immer bleiben. Das scheint das Resumé der menschlichen Geschichte ebenso wie unserer persönlichen Erfahrung zu sein. Und während die neugeborenen Kinder noch hemmungslos schreien, haben wir gelernt still zu sein und zu schweigen. Der Verlust der Illusionen macht sprachlos.

"Gott hat sein Volk besucht" - so heißt es in dem Lied, das im Gebet der christlichen Kirche als "Benedictus" bekannt wurde. Die Ankündigung der Geburt eines Kindes verwandelt die Menschen. Aus dem stummen ungläubigen Priester Zacharias wird ein jubelnder Prophet, dem mit einem Mal die Zukunft vor Augen steht.

"Gott hat sein Volk erlöst." - Das Kind in Zacharias' Armen wird dem Herrn den Weg bereiten. Johannes ist nicht der Retter, aber er geht ihm voran. Johannes der Täufer wird zur Umkehr aufrufen: "Kehrt um, denn das Gottesreich ist nahe herbeigekommen!"

Er hilft den Menschen zu erkennen, wie sie gerettet werden können: durch die Vergebung der Sünden. Daß wir das, was uns von Gott trennt, benennen und bekennen, ist die Vorbereitung auf die Ankunft Gottes. Die erlösende Erkenntnis ist, daß Gott die Sünden, in denen die Menschen gefangen sind, überwinden kann und will.

Es ist ein Unterschied, ob ich mir eine Veränderung wünsche, einen Retter herbeisehne oder ob ich ihn persönlich treffe, vielleicht sogar an seiner Ankunft selbst beteiligt bin. Gottes Besuch verändert Menschen. Der alte, enttäuschte und müde Priester Zacharias ist mit einem Mal wieder voller Begeisterung. Wie ein neugeborenes Kind schreit er: "Gelobt sei der Herr."

Besonders in der Adventszeit könnten wir entdecken, wie der Weg vorbereitet ist, auf dem Jesus Christus in unsere Welt kommt. Die alten Verheißungen, mit denen Gott sein Volk besucht hat, stehen auch in unserer Bibel, aber wollen wir sie auch für uns gelten lassen?

Was wird stärker sein? Unser Unglaube, den wir zu unserer Entschuldigung Realismus nennen? Oder die Liebe Gottes, die Sünde und Tod überwunden hat? Die Christen empfangen in der Taufe von Gott ein neues Leben. Sie holen Atem und ihr erster Schrei ist: Herr, ich glaube - hilf meinem Unglauben!

Allen Freunden und Mitgliedern der Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche, wünschen wir, daß sie sich - egal, ob alt oder jung - von der Freude über die Ankunft Gottes in der Welt anstecken lassen und in in den hoffnungsvollen Ruf des Zacharias einstimmen können.

Christof Lange, Prag

D.Ghirlandaio: Der Engel erscheint Zacharias

Domenico Ghirlandaio (1449-1494): Der Engel erscheint Zacharias



Bericht von der Jahrestagung 2009

Für unsere Jahrestagung 2009 wurde ein interessanter Ort in der Oberlausitz in Ostsachsen ausgewählt: Herrnhut. Hier befindet sich die Evangelische Brüderunität, von Graf Nikolaus von Zinzendorf vor ca. 300 Jahren zur Aufnahme von Exulanten aus Böhmen gegründet. In dieser christlichen, historischen, barocken Atmosphäre fand unsere Tagung statt, mit dem Hauptthema "Die Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien (DEKiBMS)".

Foto: Glockenturm

Blick auf den Kirchtum des Betsaals. Im Vordergrund die Erinnerungsstätte an die Gründung der Einrichtung des Grafen Zinzendorf (Foto: J.Gerstberger)

Am Freitag, 1. Mai 2009, wurde, wie seit Jahren schon, unsere Mitgliederversammlung durchgeführt, deren reichhaltige Tagesordnung uns kaum Zeit gelassen hat, das wunderschöne Frühlingswetter mit der Blütenpracht der warmen Oberlausitz, zu bewundern. Ein zusammengefasstes Protokoll finden Sie im Anschluss an diesen Bericht.

Am Samstag, 2. Mai 2009, nach der Morgenandacht erwarteten die Teilnehmer gespannt die interessanten Vorträge zu dem Tagungsthema. Sie wurden von Professor Dr. Karl Schwarz aus Wien zur Situation der Sudetendeutschen nach dem 1. Weltkrieg und der Gründung der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien begonnen. Die Überschrift "Entösterreichern" führte uns in den Protestantismus in Tschechien nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie. Nach reger Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass dieser Vortrag von Professor Schwarz auch auf der Gedenkveranstaltung in Prag gehalten werden soll.

Mit Zustimmung und Freude wurde die persönliche Zusammenstellung von Frau Johanna Gerstberger zur Gründung der DEKiBMS aufgenommen mit dem Titel "Die vertriebenen Gemeindeglieder der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien - ihr Erbe und Auftrag heute."

Mit den Berichten von Dr. Dermattio - Bayerisches Hauptstaatsarchiv München -, Dr. Morée - Karlsuniversität Prag - sowie Herrn Schinzel, München wurde über die Archivunterlagen, die jetzt in Prag und München lagern, informiert. Die sich daraus ergebenden weiteren Auswertungen, auch zur Gründung und den schwierigen Anfängen der DEKiBMS, wurden beraten und abgestimmt.

Über die weitere Tätigkeit unserer Gesellschaft wurde im Anschluss beraten.

Für den Nachmittag war eine Führung in Herrnhut vorgesehen, um die Institutionen der Brüderunität kennen zu lernen. Dabei erfuhr der romantische Friedhof auf einer Anhöhe mit Aussichtsturm besondere Beachtung. Aufgesucht wurden auch die Besonderheiten der näheren Umgebung wie das Schloss des Grafen Zinzendorf sowie Einrichtungen der Diakonie.

Eine besondere Überraschung ergab sich aus dem Besuch der Familie Günter und Rita Hillmann aus Oedran in Sachsen als Nachfahren unseres Namenspatrons Johannes Mathesius, der bekanntlich ein gebürtiger Sachse war. Die Nachfahren legten in einer Dokumentation dar, wie die bekannte Familie seit Generationen in Sachsen lebt mit Familienzweigen in Mecklenburg.

Resümee über die Tagung wurde am Abend der Begegnung in gemütlicher Runde gezogen.

Nach dem Gottesdienst am Sonntag, 3. Mai 2009, in der ehrwürdigen und hellen Saalkirche der Brüderunität konnten die Teilnehmer erbaulich die Heimreise nach Tschechien, Österreich und Deutschland antreten.

Karlheinz Eichler, Leipzig

Foto: Zinzendorf im Garten

Graf Nikolaus von Zinzendorf im Garten des Betsaals in Herrnhut (Foto: J.Gerstberger)


Von der Mitgliederversammlung

der Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V. am 1. Mai 2009 im Tagungs- und Erholungsheim der Evangelischen Brüderunität in Herrnhut

Traditionsgemäß fand die Mitgliederversammlung am Vortag der Jahrestagung in der Zeit von 16.00 bis ca. 20.00 Uhr statt.

Teilnehmer waren: H. Schinzel, München; Prof. Dr. K. Schwarz, Wien; Familie F. Reinholz, Griesheim; Pfr. L. Libal, Eger, Pfr. CH. Lange, Prag; Pfr. Pavel Kuèera, Asch; J. Gerstberger, Ludwigburg; Dr. H. Demattio, München; K. Eichler, Leipzig

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden wurde im ehrenden Gedenken unserer Verstorbenen Mitglieder gedacht. Besonders unser langjähriges Mitglied Herr M.A. Rainer Schmelzle wurde ehrend hervorgehoben. Wir werden ihn nicht vergessen.

Bericht des Vorsitzenden

Der Bericht wurde schon vorab veröffentlicht, so dass eine Diskussion und weitere Hinweise erfolgten.

Finanzbericht

Die Schatzmeisterin Frau Johanna Gerstberger erläuterte den Bericht und vermeldete einen massiven Rückgang des Spendenaufkommens von ca. 50%. Zur Einsparung der Kosten wurden Vorschläge gemacht, die später umgesetzt werden sollen.

- Ein Teil der Tagungskosten wird künftig von den Teilnehmern selbst getragen.

- Die Mitteilungen "Glaube und Heimat" sollen künftig nur an Ostern erscheinen

- Die Kollekte beim Sudetendeutschen Tag soll in Zukunft für den Verein genutzt werden.

- In der Weihnachtsausgabe von "Glaube und Heimat" soll eine Umfrage gestartet werden, wer künftig lediglich mit einer digitalen Übermittlung unserer Zeitschrift, die auf dem PC ausgedruckt werden kann, einverstanden ist. Dies würde für uns eine erhebliche Kostenentlastung beim Versand bedeuten.

Der Vorstand und die Schatzmeisterin wurden einstimmig entlastet.

Neuwahl des Vorstands

Pfarrer Christof Lange, bisher 1. stellvertretender Vorsitzender, hat aus beruflichen Gründen nicht mehr für den Vorstand kandidiert. Der neue Vorstand wurde einstimmig gewählt:

- Herr Karlheinz Eichler, Vorsitzender

- Herr Horst Schinzel, 1. stellvertretender Vorsitzender

Die Stelle des 2. stellvertretenden Vorsitzenden bleibt unbesetzt.

Wiederwahl der Schatzmeisterin

Frau Johanna Gerstberger wurde ebenfalls einstimmig als Schatzmeisterin wiedergewählt.

Gottesdienst zum Sudetendeutschen Tag in Augsburg

Der Gottesdienst wird von Pfarrer Ry¹ánek aus Eger gehalten werden. Die Kollekte soll an das Evangelische Theologische Seminar in Prag gehen. Frau Gerstberger übernimmt die Organisation des Gottesdienstes.

Überführung des Archivgutes der JMG nach München

Das Archivgut wurde am 31.10.2008 nach München überführt, als künftiger Teil des Sudetendeutschen Archivs. Es steht somit für weitere Aufarbeitungen zur Verfügung.

Veranstaltung in Prag zum 90. Jahrestag der Gründung der DEKiBMS

Es ist geplant, eine Gedenkveranstaltung am 24./25.10.2009 in der Prager Michaelskirche in Zusammenarbeit mit der slowakischen evangelisch-lutherischen Gemeinde durchzuführen. Herr Prof. Dr. Schwarz wird einen Einführungsvortrag halten. Für die Organisation stellen sich Pfarrer Lange und Herr Schinzel zur Verfügung.

Information über die David-Zeisberger-Ausstellung

Herr Schinzel informiert, dass die Ausstellung ab 17. Juni 2009 im Schloss des Grafen Zinzendorf in Berthelsdorf/Oberlausitz in Sachsen zu sehen ist. Über die Eröffnungsveranstaltung wird in dieser Ausgabe ebenfalls berichtet.

Jahrestagung 2010 in Asch (Tschechien)

Von den Teilnehmern wurde festgelegt, die Jahrestagung erstmalig in Tschechien durchzuführen. Sie findet vom 23.-25. April in Asch (A¹) statt. Themenschwerpunkt: "Die Evangelischen zwischen Asch und Teschen." Dabei geht es um die Vielfalt der evangelischen Kirchengemeinden in Böhmen, Mähren und Schlesien von der Toleranzzeit bis heute. Teil des Programms wird eine Besichtigung der Kirchen der Ascher Region sein.

Publikationen

Es wurden Fragen nach der Darstellung unseres Vereins erörtert. Dabei wurde bedauert, dass die Publikation "Erbe und Auftrag" gegenwärtig nicht fortgeführt werden kann, weil dies nicht finanzierbar ist.

Zusammenfassung

Die Probleme der JMG-ES wurden ausführlich und mit hohem Zeitaufwand beraten. Es wurden zukunftsweisende Aktivitäten beschlossen, die eine Weiterführung unserer Tätigkeit auf der Grundlage unserer Satzung gewährleisten. Dafür unseren Teilnehmern herzlichen Dank.

Karlheinz Eichler, Leipzig

Foto: Hillmann

Ehepaar Günter und Rita Hillmann aus Oedran/Sachsen bei ihrem Besuch in Herrnhut (Foto: K.Eichler)



Erinnerung an die deutsche evangelische Kirche
in der Tschechoslowakei 1919-1945

Gemeinsam mit den protestantischen Kirchen in der Tschechischen Republik erinnerte die Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche an den 90. Jahrestag der Gründung der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien (DEKiBMS).

Am 24. und 25. Oktober 2009 hatten die Evangelisch-lutherische Kirche in der Tschechischen Republik und die Mathesiusgesellschaft in die Prager Michaelskirche eingeladen. Am Sonnabend gab der Wiener Historiker Univ.-Prof. Dr. Karl Schwarz in einem Vortrag einen Überblick über die Geschichte der Deutschen Evangelischen Kirche in der ersten Tschechoslowakischen Republik. Am Sonntag erinnerten slowakische, tschechische und deutsche Evangelische in einem dreisprachigen Gedenkgottesdienst an den Weg der deutschen Lutheraner in Böhmen, Mähren und Schlesien.

Die nur 26jährige Geschichte der DEKiBMS ist heute in der deutschen wie in der tschechischen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Nach dem ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Donaumonarchie trennten sich auch die Wege der in Böhmen, Mähren und Schlesien lebenden Protestanten. 1918 verbanden sich die tschechischen Reformierten und Lutheraner zur Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, und ein Jahr später, im Oktober 1919 gründeten die verbliebenen deutschsprachigen Gemeinden der evangelischen Toleranzkirchen eine Deutsche evangelische Kirche in der Tschechoslowakischen Republik. Bis zur Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei bot diese den vor allem in den Grenzgebieten zu Österreich, Deutschland und Polen lebenden deutschen Lutheranern eine Heimat.

Auch der Ort der diesjährigen Gedenkveranstaltung war mit Bedacht gewählt. An St. Michael in der Gerbergasse hatten die deutschen Lutheraner ihren Sitz bereits seit dem Toleranzpatent Josefs II. Da diese Gemeinde zunächst die einzige Toleranzgemeinde in Prag blieb, fanden hier nicht nur deutsche, sondern auch tschechische Evangelische Zuflucht. Ohne Rücksicht auf Sprache und Nationalität unterstützten sich Lutheraner und Reformierte hier gegenseitig. Aus der Prager Gemeinde stammte auch der spätere Bischof der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich Oskar Sakrausky (1914-2006), der in der Deutschen Evangelischen Kirche als Vikar wirkte.

Nach dem Krieg zogen in das vom Staat konfiskierte Kirchengebäude erneut Lutheraner ein - nun aber slowakischer Nationalität. Die Slowakische ev.-luth. Kirche fand hier einen Versammlungsort für ihre in der Hauptstadt lebenden Mitglieder. Nach der Teilung der Tschechoslowakei 1993 wurde aus dieser Gemeinde eine selbständige Kirche, die ähnlich wie andere kleinere evangelische Kirchen in neuester Zeit ein bemerkenswertes Wachstum verzeichnen kann. Auch die nach der politischen Wende gegründete Deutschsprachige Evangelische Gemeinde Prag feierte ihre Gottesdienste von 1991-1993 an St. Michael zu Prag, bevor sie 1994 in die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) eingegliedert wurde.

Der von Superintendent Dr. Du¹an Tillinger geleitete Abendmahlsgottesdienst am Sonntag wurde in drei Sprachen gefeiert. Die deutschsprachigen Bibellesungen übernahmen Fritz Reinholz, Horst Schinzel und Prof. Karl Schwarz. Über dem Gedenken an den Weg der deutschen Lutheraner in der Tschechoslowakei standen Bibelverse aus dem 1. Korintherbrief:

    Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit,
    und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.
    Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied.
    (1. Kor 12,26-27)

Der aus der Nordelbischen ev.-luth. Kirche stammende und 19 Jahre lang in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder tätige Pfarrer Christof Lange beschrieb in seiner Predigt, wie sich die evangelischen Kirchen nach dem ersten Weltkrieg entlang der Sprachen- und Nationalitätengrenzen getrennt und voneinander entfernt hatten, wie von der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei die deutsche Sprache und Nationalität zunächst als schützende Mauer angesehen wurde und wie die Ausgrenzung durch den tschechoslowakischen Staat und faschistische Propaganda die deutsche Kirche schließlich in den Sog des Nationalsozialismus brachten. Ebenso absurd, wie die Vorstellung, daß das Auge zur Hand sagt 'Ich brauche dich nicht', seien Christen, die ihren Mitchristen durch Worte und Taten die Botschaft vermitteln 'Ich brauche dich nicht'. Sie verlören damit selbst ihren Anteil am lebendigen Leib Christi, den Christus ihnen in der Taufe geschenkt hat. Nicht ein nationales, politisches oder kulturelles Gemeinschaftsgefühl sei es, was die Glieder der Kirche zusammenhalte, sondern die Einladung und leibliche Gegenwart Jesu Christi an seinem Tisch. Von ihm empfingen sie die Vergebung ihrer Schuld, sein Geist gebe ihnen den Mut, Gegensätze, Konflikte und Feindschaft zu überwinden. Und Christus erwarte von ihnen auch, daß sie aus den schützenden Mauern der Kirche hinausgingen, um das Evangelium allen Völkern bekanntzumachen.

Ein weiterer Höhepunkt des Gottesdienstes, der ebenfalls die Bedeutung der Einladung Christi für die Gemeinschaft verschiedener Völker und Nationalitäten am einen Leib hervorhob, war die feierliche Einweihung des neuen Altarbildes der Michaelskirche. Das ursprüngliche Altarbild der deutschen evangelischen Gemeinde, ein Werk des Preßburger Malers und Radierers Adam Friedrich Öser (1717-1799) war am Ende des Zweiten Weltkriegs verlorengegangen. Eine schon vorher angefertigte Kopie wurde 1992 bei einem Einbruch in die Kirche gestohlen und durch ein gerahmtes Kruzifix ersetzt. Daß nun endlich Abhilfe geschaffen wurde, ist wiederum einem ehemaligen Gemeindeglied aus der Deutschen evangelischen Kirche zu verdanken. Als der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada ausgewanderte Jaroslav Jarsch vom Verlust des Bildes erfuhr, kontaktierte er in Kanada den Künstler Vasil Chlebovski und ließ nach Fotografien ein neues Bild anfertigen, das das ursprüngliche Abendmahlsmotiv wieder aufnahm. Zu seiner Einweihung hielt Jaroslav Jarsch, der mit seiner gesamten Familie nach Prag gekommen war, eine beeindruckende Ansprache.

Das neue Altarbild
in der Michaelskirche

Foto: Altarbild

Neben den Mitgliedern der örtlichen lutherischen Gemeinden und der Johannes-Mathesius-Gesellschaft konnten die Gastgeber auch eine Reihe ökumenischer Gäste begrüßen. An der Veranstaltung am Sonnabend nahm der Synodalsenior der EKBB Joel Ruml teil. Im Gedenkgottesdienst am Sonntag überbrachte der stellvertretende Bischof und Vorstandsvorsitzende der Schlesischen Diakonie Jan Waclawek die Grüße der Schlesischen ev.-luth. Kirche.

Das in Tschechien lange Zeit verdrängte Erbe der Deutschen evangelischen Kirche in der Tschechoslowakei ist in diesem Jahr wieder ins Gespräch gekommen. Auch die evangelischen Kirchenhistoriker und Fakultäten sind inzwischen auf das Thema aufmerksam geworden. Darauf, daß die Gedenkveranstaltung an der Michaelskirche sicher keine einmalige Aktion bleiben wird, deutet nicht zuletzt auch die rege Publikationstätigkeit der Luthergesellschaft hin, die bereits im November eine neue wissenschaftliche Arbeit zur Geschichte des Luthertums in Böhmen, Mähren und Schlesien vorstellte.

Christof Lange, Prag

Videodokumentation zur Gedenkveranstaltung

Von dem Gottesdienst am 25. Oktober in der Prager Michaelskirche, der an die Gründung der "Evangelischen Kirche in der Tschechoslowakei" am 25. 10. 1919 in Turn erinnerte, gibt es eine Videoaufzeichnung auf CD-ROM. Sie kann zum Selbstkostenpreis von 10 Euro (zahlbar auf das Konto 5110173 bei der Evangelischen Kreditgenossenschaft, BLZ 520 504 10) bestellt werden bei:


Die Luthergesellschaft in der Tschechischen Republik
stellt eine Geschichte des Luthertums in Tschechien vor

Schon seit einigen Jahren bemüht sich die Evangelisch-lutherische Kirche in der Tschechischen Republik und die eigens zu diesem Zweck gegründete Luthergesellschaft um die Aufarbeitung der Geschichte des Luthertums in Böhmen, Mähren und Schlesien. "Luteráni v èeských zemích v promìnách staletí" (Die Lutheraner in den tschechischen Ländern im Wandel der Jahrhunderte) ist der Titel einer neuen Publikation in tschechischer Sprache, die die Luthergesellschaft in der Tschechischen Republik vor kurzem der Öffentlichkeit vorstellte. Autoren dieser kirchengeschichtlichen Arbeit, die unter anderem dank finanzieller Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, des Martin-Luther-Bundes und der Evangelisch-theologischen Fakultät der Prager Karls-Universität erscheinen konnte, sind Jiøí Just, Zdenìk R. Ne¹por und Ondøej Matìjka; das Vorwort schrieb Petr Hlaváèek und am Text des Schlußkapitels über die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart arbeiteten Martin Grombiøík und Jaroslav Kratka mit. Die Publikation versucht, nicht nur die geschichtlichen Umbrüche, denen die Anhänger der Lehre Martin Luthers ausgesetzt waren, sondern auch ihre inneren Entwicklungen von den Anfängen bis in die Gegenwart zu verfolgen. Es handelt sich somit um die erste umfassende zeitgenössischen Darstellung des böhmisch-mährischen Luthertums überhaupt.

Christof Lange, Prag



Lutherdekade 2008-2017

Martin Luther kommt 1508 nach Wittenberg, 1517 schlägt er seine 95 Thesen an der Schlosskirche an. In der Lutherdekade 2008-2017 wird ein weites Themenspektrum der Reformation in Themenjahre aufgenommen. Als Themen sind vorgesehen:

    2009: Reformation und Bekenntnis
      (500. Geburtstag Jean Calvins, 75. Jahrestag der Barmer Theologische Erklärung)
    2010: Reformation und Bildung
      (450. Todestag Philipp Melanchthons)
    2011: Reformation und Freiheit
    2012: Reformation und Musik
    2013: Reformation und Toleranz
    2014: Reformation und Politik
    2015: Reformation - Bild und Bibel
      (500. Geburtstag Lucas Cranach d. J.)
    2016: Reformation und die eine Welt
    2017: Reformationsjubiläum

Das Jubiläumsjahr wird weltweit mit kirchlichen und kulturellen Veranstaltungen, Tagungen und Ausstellungen als Höhepunkt der Lutherdekade gefeiert werden.

Dem Lutherischen Weltbund (LWB) ist wichtig, im Prozess der Planungen und Vorbereitungen auf das große Jubiläum 2017 vor Ort in Wittenberg präsent zu sein. Es ist wichtig, die Mitgliedskirchen des LWB in die Vorbereitungen des Jubiläums einzubeziehen, damit dieses Ereignis seiner Bedeutung gemäß weltweit wahrgenommen und begangen wird.

In Wittenberg besteht seit diesem Herbst ein eigenes LWB-Zentrum. Es wird geleitet von Direktor Hans W. Kasch und hat seinen Sitz: Schlossplatz 1 d, 6886 Wittenberg, Tel. 03491 - 69 54 84, Fax 03491/69 54 85, E-Mail: kasch@dnk-lwb.de.

Das Zentrum steht auch für Besucher von Wittenberg und seiner reformatorischen Gedenkstätten zur Verfügung. Es gestaltet u.a. Aufenthalte und vermittelt Teilnahmemöglichkeiten an Seminaren. Interessenten wenden sich bitte unmittelbar an die genannte Kontaktadresse.

Wir werden in unseren nächsten Ausgaben immer wieder über interessante Vorgänge und Vorbereitungen der Lutherdekade berichten

Johanna Gerstberger, Ludwigburg



Zehn Jahre deutsch-tschechische Versöhnungsarbeit an der Evangelischen Friedenskirche in Eger

Am 28. Juni 2009 traf sich die heutige Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) mit vertriebenen Gemeindegliedern der früheren deutschen evangelischen Gemeinde der Friedenskirche in Eger (Cheb) zu ihrem jährlichen Versöhnungsgottesdienst. Das erste Treffen dieser Art fand am 25. Juli 1999 statt. Daran erinnert noch heute eine Kerze auf dem Altar der Friedenskirche mit der Aufschrift "Jesus spricht: Ich bin das Licht der Welt". Das Treffen in diesem Jahr stand daher ganz im Zeichen dieses Jubiläums: zehn Jahre Versöhnungsarbeit an der Friedenskirche. Wie wichtig diese Versöhnungsarbeit sowohl der tschechischen Gemeinde wie den deutschen Evangelischen ist, zeigt sich auch daran, dass die jährlichen Treffen in der Friedenkirche seit 2007 immer als Versöhnungsgottesdienste gefeiert werden.

Die Predigt des erimitierten Synodalseniors der EKBB in Tschechien, Dr. Pavel Smetana. Prag, über den Text aus Matthäus 23,8: "Christus spricht: Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Brüder" traf jeden von uns tief in seinem Innersten. Keiner konnte sich der Wirkung folgender Gedanken entziehen:

"Liebe Brüder und Schwestern, wir sind in die Stadt Eger gekommen, dessen dunkle Geschichte in jeden ihrer Steine geschrieben ist, in jedes Sandkörnchen, gerade wie in die menschlichen Seelen. Wir sind in diese Stadt gekommen als Menschen mit einer Vergangenheit, die kein anderer kennt als Gott. Wir sind mit unseren Vorstellungen darüber gekommen, was Versöhnung bedeutet und was sie kostet. Und hier begegnet uns Christus und nennt uns Brüder und Schwestern. Er nennt uns zuerst seine Brüder und Schwestern und dann Brüder und Schwestern von- und füreinander (.......). Er stellt uns unsere eigene Schuld und die Schuld unserer Väter und Mütter vor Augen. Es ist keiner unter uns, der sagen könnte, das betrifft mich nicht. (......) Aber Christus will uns in eine neue Schöpfung verwandeln. Er ist Anfang, Mitte und Ende unseres Lebens, damit wir in ihm als Brüder und Schwestern miteinander leben und Gemeinschaft haben können"

Der Predigt schloss sich ein Totengedenken für die deutschen und tschechischen verstorbenen Gemeindeglieder der Friedenskirchengemeinde seit ihrer Gründung an, gesprochen von der Verfasserin dieses Berichtes.

Eine besondere Überraschung erlebten alle Anwesenden am Schluss des Gottesdienstes. Reichskanzler Fürst Bismarck und Graf Beust schenkten der evangelischen Gemeinde zur Einweihung der Friedenskirche einen silbernen Abendmahlskelch. Er trug, von einem Eichen- und Lorbeerkranz umrahmt die Inschrift: "Der Evangelisch-lutherischen Kirche zu Eger durch Ehrengaben der Reichskanzler Fürsten Bismarck und Grafen Beust am 5. Oktober 1871 gestiftet."

Auf diesen Abendmahlskelch war die deutsche Gemeinde besonders stolz gewesen. Nach der Vertreibung der deutschen Gemeindeglieder hat seit nahezu 64 Jahren niemand mehr diesen Kelch gesehen. An diesem Jubiläumssonntag konnte er jedoch der Gemeinde präsentiert werden. Bei Räumung des Pfarrhauses vor dem Einzug von Pfarrer Marek Ry¹ánek wurde er auf dem Dachboden des Pfarrhauses unter einem Holzverschlag gefunden. Die Tarnung durch diesen Verschlag war so perfekt, dass dieser auch bei der grundlegenden Renovierung des Pfarrhausdaches vor vielen Jahren nicht entdeckt wurde. Es wird immer ein Geheimnis bleiben, wer diesen Abendmahlskelch so sicher versteckt und damit für die nachfolgenden Generationen gerettet hat. Es muss jemand gewesen sein, der die historische Bedeutung und den Wert dieses Kelches für die Gemeinde kannte.

Obwohl dieser Kelch schon im Herbst 2008 entdeckt wurde, wartete man mit der Präsentation bis zum 28. Juni 2009. Der Anlass konnte nicht schöner sein: Deutsche und Tschechen erinnerten sich gemeinsam an den Beginn der Versöhnungsarbeit vor zehn Jahren. Die deutschen Gemeindeglieder sollten auch die erste Präsentation dieses so lange vermissten Abendmahlskelches im Gottesdienst der Friedenskirche miterleben. Die Freude über diesen nach Jahrzehnten wiedergefundenen Abendmahlskelch war bei allen Gottesdiensteilnehmern sehr groß, gleichzeitig aber auch die Erleichterung darüber, dass jeglicher Verdacht, dieser wertvolle Kunstgegenstand könnte nach der Vertreibung der Deutschen von Unbekannten entwendet worden sein, damit für alle Zeiten ausgeräumt ist.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen trafen sich Gastgeber und Gäste zu einem halbstündigen Orgelkonzert von Hermann Bohrer aus Wunsiedel in der Friedenskirche. Der Organist berichtete den Zuhörern, dass die Egerer Orgel die einzige Steinmeyer-Orgel ist, die nicht modernisiert wurde und daher noch heute ihren ursprünglichen Klang hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieser hervorragende Klang dieses Instruments noch lange so erhalten bleibt. Das Konzert führte die Zuhörer durch bekannte und weniger bekannte klassische Orgelkompositionen von Bach, Charpentier, Mozart und Mendelssohn bis zu Improvisationen zu Kirchenliedern von Hermann Bohrer, die er als Wunschkonzert nach Vorschlägen der Zuhörer gestaltete.

Foto: Friedenskirche

Blick auf den Turm der Friedenskirche in Eger (Foto: J.Gerstberger)

Im Mittelpunkt des anschließenden gemütlichen Beisammenseins standen der gegenseitige Gedankenaustausch, aber auch Berichte über aktuelle Ereignisse und Planungen in der Gemeinde der Friedenskirche und ein persönlicher Beitrag der Verfasserin dieses Berichtes zum Predigtthema "Wir sind Schwestern und Brüder". Diese Erfahrung hat die Familie des letzten deutschen Pfarrers während seiner Verhaftung im Kreisgerichtsgefängnis in Eger in vielfältiger Weise erlebt. Nur durch die Hilfe tschechischer Egerer Bürger, die als Entlastungszeugen im Prozess gegen meinen Vater auftraten, war es möglich, dass wir im September 1946 gemeinsam aus Eger vertrieben wurden und danach noch bis zum Tode meines Vaters 1949 als Familie drei gemeinsame Jahre erleben durften.

Bevor die meisten deutschen Gemeindeglieder wieder die Heimreise antreten mussten, war man sich einig: im kommenden Sommer treffen wir und wieder zu einem Versöhnungsgottesdienst in der Friedenskirche.

Johanna Gerstberger, Ludwigsburg



Die Christuskirche in Turn

Lediglich gut informierte Kenner der Geschichte der Tschechoslowakei werden den Ort Turn (Trnovany) ausfindig machen, denn auch das Internet wird bei der Suche nicht hilfreich sein können.

Mit der Industrialisierung nahm der Ort nicht nur seinen wirtschaftlichen Aufschwung, es kommt auch zu sozialen und nationalen Spannungen. Es herrscht im industriell hoch entwickelten nordwestböhmischen Braunkohlegebiet im Jahr 1899 eine aufgebrachte Stimmung. Deutsche und tschechische Sozialdemokraten demonstrieren - getrennt. Der Teplitzer Magistrat muss aus Prag um Truppen bitten.

Anscheinend reicht der nur wenige Kilometer entfernte Teplitzer Basilikabau aus dem Jahre 1864 gewissen Kreisen nicht aus, zumal man auch mit einem katholischen Kirchenbau rivalisiert. Am 23. Juni wird ein evangelischer Gottesdienst in einem angemieteten Beetsaal abgehalten. Da sich dieser Raum schon bald als zu klein erwies, wurde noch im selben Jahr mit reichsdeutscher Unterstützung eine Holzbaracke errichtet. Am 18.8 nahm Vikar Paul Klein seinen Dienst auf.

Einen ausgeschriebenen Wettbewerb, in dem zahlreiche Modelle entstanden, gewann das Architektenduo Schilling und Graebner aus Dresden, sodass bereits am 11.10 mit der Grundsteinlegung der Bau beginnen kann. 1902 wird das Turmkreuz auf den 70 Meter hohen Turm gesetzt. Gesammelt wird für die Christuskirche anscheinend im gesamten protestantischen Europa.

Doch dann gerät der Bau ins Stocken und es kommt zu einem Baustopp. Offenbar katholische Kreise aus Prag betreiben sogar einen Zwangsverkauf, der nur durch massive finanzielle Hilfen der Gustav-Adolf-Stiftung verhindert werden kann.

Zu diesen finanziellen Sorgen gesellen sich seelsorgerische Probleme. Die Regierung in Wien verweigert dem reichsdeutschen Vikar Klein die Einbürgerung. Klein wird von seiner Gemeinde geliebt und verehrt, muss aber noch im Jahre 1904 seinen Dienst beenden und in das Deutsche Reich zurückkehren,

Klein ist in Turn deshalb so geschätzt, weil er als exponierter Vertreter der "Los von Rom Bewegung" gilt, durch die die Gemeinde enormen Zulauf erhalten hat. Diese Bewegung innerhalb der Habsburgermonarchie entstand nach der fehlgeschlagenen Sprachenverordnung des Ministerpräsidenten Badeni im Jahre 1897. Für das Gebiet Böhmens des cisleithanischen Teilstaates der Habsburgermonarchie, sah sie vor, dass Staatsbeamte in Böhmen sowohl Deutsch als auch Tschechisch in Wort und Schrift beherrschen müssten. konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Die Auseinandersetzungen um diese Sprachverordnung führten zur sog. "Los von Rom Bewegung". In ihr ging es darum, dass der Katholischen Kirche eine Sympathie für diese Sprachverordnung unterstellt wurde, deshalb riefen bestimmte deutsch-nationale Kreise zum Austritt aus der katholischen Kirche auf. Tatsächlich folgten diesem Aufruf Tausende in ganz Österreich, die Bewegung selbst nahm zusehend zersetzende und staatsfeindliche Züge an.

Als sich auf den Trümmern der Habsburgermonarchie die Auflösung der Evangelischen Kirche A.B. u. H. B vollzog, kam es zur Gründung einzelner "Töchterkirchen", so "der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe", wie es bei der Gründung in der Christuskirche am 25.10.1919 heißt, zur Gründung der "Deutschen evangelischen Kirche in der tschechischen Republik". 1924 muss der Name abgeändert werden in "Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mahren und Schlesien". Der "verfassungsgebende" Kirchentag vom 5. -7.11.1920, wiederum in der Christuskirche, legte die lutherische Orientierung dieser Kirche fest.

Bei der Volkszählung 1930 ergibt sich für Turn eine Einwohnerzahl von 16.551, als Deutsche bezeichnen sich 11.349, als Tschechen 4.191. Davon geben 11.603 an römisch katholisch zu sein, 2.483 konfessionslos und 1.567 evangelisch.

1942 wird Turn (Trnovany) nach Teplitz-Schönau eingemeindet, was 1945 rückgängig gemacht wird. 1947 wird Trnovany wieder verwaltungstechnisch mit Teplice-©anov verbunden.

Nach der Abschiebung der deutschen Bevölkerungsmehrheit kommt es durch die Neubesiedelung des Grenzgebietes zu einer häufigen Nutzungsänderung. Bis zum Jahre 1964 ist die Kirche im Besitz der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, dann geht sie in die Verfügungsgewalt der Tschechoslowakisch Hussitischen Kirche über. Bereits 1966 wird der Kirchenbau ein Volkseigener Betrieb. Zusehends verfällt der Bau. Nach einem Brandschaden wird das Gebäude 1973 abgerissen. Innerhalb der Jahre 1981-1988 verschwindet die historisierende Jugendstil-Architektur in Trnovany, sie ist lediglich in den Sammlungen des Regionalmuseums in Teplice erhalten.

Das Gebäude steht nicht mehr. Auch wenn unserer Generation diese problematische Verquickung von Glaube und Nationalismus unserer Großväter sehr fremd ist, so ist uns doch aufgetragen, Ursachen und Wirkungen dieser theologischen Vorstellungen gemeinsam mit den Brüdern tschechischer Sprache theologisch aufzuarbeiten.

Seelsorgerisch versorgt wird Trnovany heute von der Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder von Teplice aus. Der sonntägliche Gottesdienst beginnt um 9.30 Uhr. (teplice@evangnet.cz)

Horst Schinzel, München


Literatur:

A. Filip, Secesní chrámy na Moravì a ve Slezsku (Jugendstil-Kirchen in Mähren und Schlesien), Brno, 2004

H. Malcomess: Die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaus der Dresdner Architekturfirma Schilling und Graebner zwischen 1899 und 1917, Seminararbeit, Dresden 2001

O. Sakrausky, Die Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1989ff

Neue Dresdener Architektur, Bauten von Schilling & Graebner, I., II., Dekorative Kunst, 1904



David Zeisberger und sein Traum
von den Mährischen Indianern


Eröffnung der Wanderausstellung
zum 200. Todestag des Herrnhuter Missionars
in Schloss Berthelsdorf bei Herrnhut

Am denkwürdigen Tag, dem 17. Juni 2009, wurde im Schloss des Grafen Nikolaus von Zinzendorf in Berthelsdorf (Sachsen-Oberlausitz), die Wanderausstellung über das Leben und Wirken des sog. "Indianerapostels" David Zeisberger eröffnet. Aus dem schlesischen Ort Zauchtel stammend, hat Zeisberger im Auftrag der Herrnhuter Brüderunität die Indianer im Gebiet des heutigen New York missioniert. Diese Zeugnisse des Werdegangs von Zeisberger und die vielen interessanten Details seiner Tätigkeit sind in Schaubildern und Vitrinen dargestellt und dokumentiert.

An dieser Gemeinschaftsaktion der Ausstellung unter maßgeblicher Leitung der Johannes-Mathesius-Gesellschaft haben sich der Verein Heimattreuer Kuhländler e.V. sowie die historisch-heimatkundliche Geselllschaft Moravian in Zauchtel an der Oder beteiligt. In Herrnhut haben uns das Unitätsarchiv und Völkerkundemuseum Herrnhut unterstützt.

Bei der Eröffnungsveranstaltung am 17. Juni 2009 hat unser Vorstandsmitglied Herr Horst Schinzel aus München, als maßgeblicher Initiatior der Ausstellung einen sehr interessanten Vortrag über die damalige Situation in Nordamerika und über die heute noch möglichen Auswirkungen gehalten. Die ca. 35 Teilnehmer, meist aus dem Freistaat Sachsen, waren sehr angetan und überrascht von den dargestellten Schlussfolgerungen sowie dem dokumentierten Aufopferungswillen der evangelischen Missionare für die Verbreitung des Wortes Gottes.

Nach Grußworten des zuständigen Pfarrers der Gemeinde sowie des Vorsitzender unserer Gesellschaft wurde bei böhmischem Wein die Ausstellung in den frisch renovierten Räumen des Berthelsdorfer Schlosses nochmals von allen Besuchern gewürdigt.

Besonderer Dank gilt besonders der Evangelischen Gemeinde in Berthelsdorf, welche die Ausstellung im noch in Renovierung befindlichen Schloss ermöglichte, sowie Herrn Horst Schinzel, er in mühe- und aufopferungsvoller Arbeit die Ausstellung zusammengestellt hat.

Karlheinz Eichler, Leipzig

Foto: Eröffnung

Eröffnung der Zeisbergerausstellung in Berthelsdorf durch Horst Schinzel (Foto: K.Eichler)


Zeisberger-Projekt

Die Zeisberger-Wanderausstellung war im Jahre 2009 auf beiden Seiten des großen Teiches zu sehen. Nach dem Start auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg ging es über München (Haus des Deutschen Ostens) während des Sommers ins Zentrum der weltweiten Herrnhuter Bewegung (Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf).

Während der Sommerferien fand ein einwöchiges Jugendlager in Korschenbroich/Mönchengladbach mit abschließendem Familiengottesdienst statt (Materialien hierüber können bestellt werden bei: reinhild.Aepfelbach@gmx.de).

In den USA begann die Zeisberger-Ausstellung in Lititz (Pennsylvanien). In der dortigen Gemeinde verfasste Zeisberger einen Teil seiner Werke, als er wegen der Indianerkriege seine Missionsarbeit nicht ausüben konnte.

Ab September war die Ausstellung an den Wochenenden in Gemeinden der Moravian Church in verschiedenen Stadtteilen von New York City zu sehen. Die Moravian Church of North America besitzt in jedem New Yorker Stadtteil eine eigene Gemeinde, deren Mitglieder mittlerweile nahezu ausnahmslos Schwarze sind. Zeisberger verbrachte mehrere Wochen in New York im Gefängnis, dort erlernte er die Iroquesensprache.

Im Herbst fand die fünfte Moravian Konferenz in Zauchtel statt. Über sie wird demnächst ein Tagungsband erscheinen. Ebenfalls bis zum nächsten Sommer wird die Zeisberger-Ausstellung in einem Katalog dokumentiert.

Nächstes Jahr wird die Zeisberger-Ausstellung (in den USA englisch-deutsch) vom 15. 8. bis zum 22. 8. 2010 in Winston-Salem im Historic Bethabara Park zu sehen sein. Die ersten Mährischen Missionare kamen dort 1753 aus dem Jungen-Männer-Haus in Nazareth (Pennsylvanien). Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurde man hart wegen probritischer Positionen bedrängt. Als die Cherokee-Indianer 1838 aufgrund staatlicher Gesetzgebung vertrieben wurden und ihren Marsch der Tränen antreten mussten, erbaten sie sich von den mährischen Missionaren seelsorgerlichen Beistand. In dieser Zeit entstanden Aufzeichnungen, für die die Indianer immer noch dankbar sind und die derzeit ins Englische übersetzt werden.

Daneben wird die Zeisberger-Ausstellung im nächsten Jahr in Nazareth im Staat Pennsylvanien zu sehen sein. Neben Bethlehem ist dies der zweite Hauptort der Nordprovinz der Moravian Church. Dort entstand ein dem Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf nachgebautes Schloss, für den Fall, dass Graf Zinzendorf von der lutherisch gesinnten sächsischen Regierung nach Amerika exilieren müsste, was Gott sei Dank dann doch nicht der Fall war.

Horst Schinzel, München



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