Johannes-Mathesius-Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
  Aktuelles     Über uns     Zeitschrift     Reformation     DEKiBMS  

Èeská verze
Glaube und Heimat. Mitteilungsblatt der Johannes-Mathesius-Gesellschaft

Weihnachten 2007


Sage, wo ist Bethlehem,
wo die Krippe, wo der Stall?
Mußt nur gehen, mußt nur sehen -
Bethlehem ist überall.

Sage, wo ist Bethlehem?
Kommt doch mit, ich zeig es dir!
Mußt nur gehen, mußt nur sehen -
Bethlehem ist jetzt und hier!

Sage, wo ist Bethlehem?
Liegt es tausend Jahre weit?
Mußt nur gehen, mußt nur sehen -
Bethlehem ist jederzeit!

Rudolf Otto Wiemer

Die Heilige Familie


Liebe Brüder und Schwestern,

wiederum neigt sich ein Jahr seinem Ende entgegen und es ist Zeit, eine kurze Bilanz zu ziehen.

Der kleine aktive Kreis unserer Gesellschaft versucht nach seinen Möglichkeiten mit viel Energie und großem Zeitaufwand die Verpflichtungen wahrzunehmen, die sich aus der Zusammenarbeit mit anderen christlichen Gremien und Institutionen im Rahmen des deutsch-tschechischen Zusammenwirkens ergeben. Dabei erfährt die Öffentlichkeit in beiden Ländern von der Tätigkeit der JMG/ES, als Vertretung der evangelischen Sudetendeutschen und ihrer Interessen.

So konnte eine Teilnahme an den beeindruckenden Jubiläumsfeierlichkeiten zum 550. Jahrestag der Böhmischen Brüder in Mladá Boleslav (Jungbunzlau) im April 2007 erfolgen. Weiterhin wurde eine persönliche Grußbotschaft zum 60. Gemeindejubiläum der Slowakischen Evangelischen Lutherischen Gemeinde in Prag in der St. Michaelskirche überbracht, wo früher die Deutsche Evangelische Kirche ihren Sitz hatte und auch Pfarrer Sakrausky seinerzeit wirkte.

Auch bei der bedeutenden Bayerischen Landesausstellung in Zwiesel vom 25. Mai bis 14. Oktober 2007, die sich dem Zusammenleben der Bayern mit den Böhmen widmete, haben wir unsere Stimme der evangelischen Präsenz eingebracht.

Die Absicherung des evangelischen Gottesdienstes beim Sudetendeutschen Tag in Augsburg war uns wiederum eine Verpflichtung, wobei der emeritierte Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder Pfarrer Pavel Smetana eine sehr beachtenswerte Predigt hielt, deren Wortlaut wir in dieser Weihnachtsausgabe veröffentlichen, um sie auch denjenigen von Ihnen, die in Augsburg nicht dabei sein konnten, zugänglich zu machen.

Im Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen e.V. sind wir in den 15 Hilfskomitees eingebunden. Desweiteren vertreten wir unsere Interessen im Gremium der EKD der Evangelischen Kommission für Mittel- und Osteuropa (EKMOE) in Hannover.

Ich habe dies alles für dieses Jahr zusammengefaßt, damit Sie, liebe Mitglieder und Freunde, informiert sind, daß unsere Johannes-Mathesius-Gesellschaft und ihre Ideale aktuell und bewußt in das Zeitgeschehen eingebunden sind.

Besonders möchte ich an dieser Stelle vermerken, daß wir uns sehr darüber freuen, daß der evangelische Christ Dr. Günther Beckstein das Amt des Ministerpräsidenten Bayerns erlangt hat und so auch weiterhin die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen durch den Freistaat Bayern bewahrt wird.

In diesem hoffnungsvollen Sinne grüße ich Sie in Böhmen und Mähren. in in der Slowakei, Deutschland, Österreich und der Schweiz herzlich und wünsche Ihnen und Ihren Familien schöne Weihnachten und für das neue Jahr Frieden, Gesundheit und Gottes Segen.

Ihr Karlheinz Eichler
Vorsitzender



Spenden


Herzlichen Dank!

Der Vorstand dankt allen Mitgliedern und Freunden für die Spenden, die überwiesen wurden. Diese Zuwendungen helfen uns sehr, unser Wirken für das Anliegen der evangelischen Sudetendeutschen weiterhin zu bewahren und fortzusetzen. Unser Spendenkonto finden Sie am Ende dieser Ausgabe.


Wichtiger Hinweis

Das Zentralfinanzamt Nürnberg hat mit Freistellungbescheid vom 14. 7. 2006 Az. 241/109/30468 die Johannes-Mathesius-Gesellschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftssteuer und nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegümstigten gemeinnützigen (wissenschaftlichen) Zwecken i. S. der §§ 51 ff AO dient. Spenden an unsere Gesellschaft können bei der Einkommensteuer steuerbegünstigend geltend gemacht werden.

Die Finanzämter erkennen nach den neuesten gesetzlichen Bestimmungen Spenden bis zu 200 Euro auch ohne besondere Spendenbescheinigung an. Für die Geltendmachung in der Steuererklärung genügt der Nachweis durch die Durchschrift der Überweisung und der Nachweis auf dem Kontoauszug. Sollte jemand trotzdem eine Spendenbescheinigung benötigten, bitten wir, dies unserer Schatzmeisterin mitzuteilen: Johanna Gerstberger, Schumannstraße 28, 71640 Ludwigsburg, Tel. 07141 / 87 58 17.



Kontakte zu Heimatkirchengemeinden

Im vergangenen Jahr konnten die Kontakte zu den evangelischen Kirchen in der Tschechischen Republik, insbesondere zur Kirche der Böhmischen Brüder, intensiviert werden. Gelegentlich wird der Wunsch laut, in Kontakt mit den vertriebenen evangelischen deutschen Gemeindegliedern zu kommen, wie dies in Einzelfällen, wie z.B. bei der Friedenskirche in Eger, bereits geschieht. Dies ist natürlich auch im Interesse unserer Versöhnungsarbeit und hat unsere volle Unterstützung.

In unserer Kartei sind unsere Mitglieder und Freunde leider nur mit ihrer heutigen Anschrift, nicht jedoch mit ihrer evangelischen Herkunftskirchengemeinde erfaßt. Wir möchten unsere Unterlagen gerne um diese Angaben ergänzen und bitten Sie daher ganz herzlich, diese telefonisch oder schriftlich unserem Vorsitzenden Honararkonsul i.R. Karlheinz Eichler mitzuteilen. Die Anschrift und Telefonnummer finden Sie am Ende dieser Ausgabe.



Über denen, die da wohnen
im finstern Lande, scheint es hell

Am 7. Oktober 2007 fand in der Wallfahrtskirche Maria Loreto bei Eger (Cheb) eine Wallfahrtsmesse für die heimatvertriebenen und -verbliebenen Sudetendeutschen und für die einheimischen Tschechen katholischen Bekenntnisses und für alle Menschen guten Willens statt. Der Egerer Ortspfarrer P. Petr Hru¹ka hat sich für alle bösen Taten, die unsere Väter nach dem 2. Weltkrieg an unseren Mitchristen und deutschen Einwohnern in den an Maria Loreto benachbarten Ortschaften getan haben, entschuldigt. Er hat sie für die gewaltsame Vertreibung um Vergebung gebeten. Seitdem wurden die Beziehungen zwischen den Heimatvertriebenen und den heutigen tschechischen Einwohnern der betroffenen Ortschaften, nach Aussage von Pfarrer Hru¹ka, viel klarer als bisher.

Tief bewegt habe ich vor kurzer Zeit ein Heft über den letzten deutschen evangelischen Pfarrer in Eger (Cheb) Hugo Friedrich Gerstberger und über die dortige evangelische Kirche gelesen. Von Ferne kenne ich die Geschichte mit der aus der Kirche entfernten Gedenktafel für die im 1. Weltkrieg gefallenen Glieder aus Eger, die nicht mehr wieder eingesetzt werden darf. "Warum", habe ich einmal gehört, "eine solche Gedenktafel kann doch niemanden beißen?"

Zu lange lebe ich in unserem westböhmischen Grenzland und bin inzwischen alt genug geworden, um zu wissen, daß unter vielen bösen Taten, die unser Gewissen belasten, auch die sind, die an unseren Mitmenschen und Mitchristen wir und unsere Väter gerade dort getan haben, wo wir heute zu Hause sind. Das ist nämlich unsere direkte Verantwortlichkeit.

Da sollen und müssen wir uns als Zeitgenossen der ungerecht Verfolgten fühlen, obwohl wir/ich erst nach dem Ende des 2. Weltkriegs geboren sind/bin, so daß ihre Leiden auch unsere Leiden sind und gleichzeitig sind wir auch daran mit schuldig.

In der selben Weise, in der ich/wir schuldig bin/sind, daß Gottes Sohn in einem Stall geboren wurde, "denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge" (Lukas 2,7), und daß er am Stamme des Kreuzes gekreuzigt wurde, weil auch ich/wir mit Petrus geantwortet habe/haben "Ich kenne diesen Menschen nicht!" (Matthäus 26,74).

Der Herr Jesus Christus, Gottes Sohn, ist in diese Welt gekommen, um helles Licht zu bringen (Jesaja 9,1). Mein Weihnachtswunsch lautet: Möge unser Heiland, der Herr Jesus Christus, uns, die wir im finstern Lande wohnen, jedem in seiner eigenen Art helles Licht bringen.

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.

Pavel Kuèera, Pfarrer in Asch (A¹)



Maria Loreto

,,Wir bitten Sie
um Vergebung''

Ansprache von P. Petr Hru¹ka, Pfarrer der römisch-katholischen Pfarrgemeinde Eger und Administrator von Maria Loreto bei der deutsch-tschechischen Wallfahrtsmesse in Maria Loreto am 7. Oktober 2007.

Ich würde gerne ein paar Worte sagen - als Einführung zum heutigen Gedächtnistag der Einweihung dieser Kirche und von Maria Loreto als Ganzes.

Ich liebe das Wort ,,Ausgewogenheit'' im Gegensatz zu dem Wort ,,Einseitigkeit''. Aber bei manchen spezifischen Ereignissen ist manchmal diese Einseitigkeit nicht nur gut, sondern auch nötig. Meiner Meinung nach, ist Einseitigkeit auch dann erforderlich, wenn es um die Bitte um Vergebung geht. Hier darf es kein ,,Aber'' geben und auch kein ,,Die-Anderen-sind-auch-schuld''. Bei der Bitte um Vergebung darf nur eines gelten: unsere eigene Schuld zu erkennen, zu bekennen, zu bereuen, und wenn es noch möglich ist, wieder gut zumachen.

Es gibt verschiedene deutsch-tschechische Erklärungen über unsere gegenseitige Versöhnung, über die Versöhnung zwischen den Deutschen und den Tschechen. Diese Erklärungen sind gut. Aber ich befürchte, daß diese meistens zu allgemein, zu ausführlich, ja, zu ausgewogen formuliert sind. Heute würde ich gerne (hoffentlich auch im Namen unserer ganzen Pfarrgemeinde Eger) eine sehr ,,einseitige'' Erklärung zum Ausdruck bringen.

Ich möchte gerne mit zwei Sätzen von unserem ersten tschechischen Präsidenten Václav Havel (vom Januar 1990) beginnen:

,,Die Vertreibung war ein Unrecht'' und ,,Man muß sich zur Wahrheit bekennen''.

Ja, schon im Evangelium nach Johannes können wir lesen: ,,Die Wahrheit macht euch frei'' (die Wahrheit, nicht die Arbeit macht euch frei).

Wir, die katholischen Christen und Christinnen der Pfarrgemeinde Eger, bitten deshalb heute unsere sudetendeutschen Brüder und Schwestern um Vergebung.

  • Wir bitten Sie um Vergebung für den ,,Tschechisierungsprozeß'' (oder den ,,Entgermanisierungsprozeß''), von dem 3,5 Millionen Menschen der deutschen ,,Minderheit'' während der Ersten Tschechoslowakischen Republik betroffen wurden.

    Eine Illustration für unsere tschechischen Landsleute, die vielleicht nicht wissen, was dies bedeutet: Als am 4. März 1919 die Sudetendeutschen für das Selbstbestimmungsrecht friedlich demonstrierten, kam es in verschiedenen Städten (Arnau, Aussig, Eger, Kaaden, Mies, Karlsbad und Sternberg) zu Ausschreitungen des tschechischen Militärs gegen die friedliche Bevölkerung. Vierundfünfzig Menschen wurden dabei erschossen - trotz Friedenszeit zwischen den beiden Weltkriegen. Ganz konkret, 54 Menschen einschließlich Schüler, Studenten, vermutlich sogar Großväter und Großmütter von Ihnen. Unter diesen 54 Toten waren 20 Frauen und Mädchen, 16 Personen im Alter von unter 19 Jahren, zwei waren erst 14 Jahre alt, einer 13 und einer sogar erst 11 Jahre alt. Einer der Toten, Josef Christl, war ein 18-jähriger Student aus Eger, ein Anderer, Grete Reinl, ebenfalls eine 18-jährige Studentin aus Eger.

  • Wir bitten um Vergebung für die nachkriegerische Vertreibung der Deutschen, die bereits während des Krieges in einigen tschechischen politischen Kreisen Teil einer geplanten ,,ethnischen Säuberung'' war.

    Eine weitere Illustration für uns, die Tschechen: Noch ehe die Siegermächte am 2. August 1945 auf der Potsdamer Konferenz einer ,,humanen und geordneten Überführung der deutschen Bevölkerung oder Teile derselben nach Deutschland'' ihre Zustimmung gaben, hatten wir Tschechen schon fast eine Million Menschen vertrieben. In der Folge der Vertreibung verloren insgesamt fast 3,5 Millionen Menschen in einem beispiellosen Gewaltakt ihre Heimat und all ihre Habe, 241.000 davon auf bestialische Weise sogar ihr Leben. Sie wurden gefoltert, vergewaltigt, erschossen, erhängt oder erschlagen. In den meisten Fällen ist nicht bekannt, wo sie ihre letzte Ruhe gefunden haben.

  • Für diesen Gewaltakt bitten wir Sie hiermit um Vergebung. Wir bitten Sie ganz speziell um Vergebung für die Gewaltakte, die unsere Landsleute an Ihnen begingen, an Ihren Müttern und Vätern, Großmüttern und Großvätern, Schwestern und Brüdern. An allen Bewohnern von Altkinsberg, Neukinsberg, Altalbenreuth, Boden, Gosel, Kleinschöba, Oberlindau, Underlindau und dem ganzen Egerland. Es tut uns Leid, daß Sie und Ihre Ahnen so viel leiden mußten. Es tut uns Leid, daß bei vielen von Ihnen die Schmerzen immer noch nicht geheilt sind.

    Die letzte Illustration: Einige der Altkinsberger mußten bereits im Juli 1945 fort. Die vollständige, organisierte Vertreibung erfolgte hier im April 1946. Der erste Transport mit etwa 150 Pfarrkindern ging am 29. 4. 1946 in die Gegend von Rosenheim, der zweite am 6. 5. 1946 in den Kreis Münchenberg, der dritte am Pfingstsonntag nach Hessen, der vierte am 15. 8. 1946, der fünfte am 17. 8. 1946 in die russischbesetzte Zone und der sechste am 19. 8. Am 22. 8. 1946 folgte ein Krankentransport und am 24. 8. ein Transport mit Antifaschisten. Der zehnte Transport ging am 9. 9. 1946 nach Bayern. An diesem Tag, wurde die letzte heilige Messe der deutschen Bevölkerung von dem Altkinsberger Pfarrer Andreas Placht in der Altkinsberger Dreifaltigkeitskirche gefeiert.

Ich hoffe (und ich würde mir wünschen, daß es die Hoffnung von uns allen ist), daß unser gemeinsames Maria Loreto der Ort sein wird, an welchem diese längst notwendige Bitte um Vergebung erhört worden ist. Ich hoffe, daß Maria Loreto auf diese Weise schließlich auch zu einem Ort gegenseitiger Versöhnung wird. Danke für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis.

P. Petr Hru¹ka, Eger


Für die Ansprache wurden folgende Textquellen in Anspruch genommen:

ONDØEJ MATÌJKA, PETR MIK©ÍÈEK A SUSANNE SPURNÁ: Promìny sudetské krajiny, pro Antikomplex vydalo Nakladatelství Èeského lesa v roce 2006.

PETR BERAN: Das Lied von Maria Loreto, Cheb/Eger: Verein Maria Loreto in Waldsassen und Eger, 2006.

ELFRIEDE BIDMON: Maria Loreto: Eine kleine Wallfahrt durch 330 Jahre, 6. erweiterte Auflage, Waldsassen: Verein zur Erhaltung und Förderung der Wallfahrtskirche Maria Loreto in Altkinsberg, 2002.

ROBERT RICHTER: Ein sudetendeutsches Vermächtnis, Leben und Werk von Herbert Krause (* 1914 in Jägerndorf) u. seine Jägerndorf/Österr. Schlesien-Stiftung, ca.2001.


Quelle: http://loreta.farnostcheb.cz



Pfr. Pavel Smetana, emeritierter Synodalsenior
der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder

Die Brücke zur Heimat

Predigt im evangelischen Gottesdienst zum Pfingstsonntag
am 27. Mai 2007 auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg


Die Liebe sei ohne Falsch. Haßt das Böse, hängt dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht ... Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): ,,Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.'' Vielmehr, ,,wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln'' (Sprüche 25,21-22). Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Römerbrief 12,9-14.17-21


Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

mit innerer Unsicherheit und Unentschlossenheit habe ich die Einladung angenommen, bei diesem heutigen Gottesdienst zu predigen. Es geht nicht nur um die sprachlichen Schwierigkeiten. Denn wo Menschen in Liebe miteinander sind, können sie sich verständigen, auch wenn sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Das beste Beispiel ist ja schließlich das Ereignis an Pfingsten. Die Besucher in Jerusalem, die aus der ganzen damaligen Welt kamen, verstanden die apostolische Predigt, weil sie sie mit dem Herzen begriffen haben.

Wie soll aber der Inhalt meiner Predigt aussehen? Was soll ich Ihnen sagen, ohne die alten, vielleicht noch nicht verheilten Wunden wieder aufzureißen? Um die Erinnerungen nicht zu wecken, von denen Sie sich schon lange verabschiedet haben?

Ich bewege mich hier auf einem sehr dünnen Eis. Sie sind die Nachfahren deutscher Bürger, die nach dem zweiten Weltkrieg aus ihrer alten Heimat vertrieben wurden. Und einige von Ihnen erlebten diese schrecklichen Ereignisse vermutlich sogar persönlich am eigenen Leib. Und ich bin ein tschechischer Staatsbürger. Zwar bin ich in der tragischen Zeit erst ein Kind gewesen, das nicht verstanden hat, was damals passiert ist. Aber während meiner Jugend begegnete ich in der Schule den Bewertungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Und dieses Bild verstärkte die schwierige Geschichte meiner eigenen Familie. Ich bin ein Nachfahre tschechischer Glaubensexulanten, die in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Menschen alles, was die Heimat gewesen ist, verlassen müssen. Mein Vater verbrachte seine Kindheit und seine Jugend in Polen, in einem tschechischen evangelischen Dorf namens Zelow, das von tschechischen Exulanten gegründet worden war. Erst nach dem ersten Weltkrieg öffnete sich meiner Familie die Möglichkeit in die alte Heimat zurückzukehren. Mein Großvater verkaufte in Polen seinen Bauernhof und siedelte mit seiner ganzen Familie 1925 nach Mähren über.

Er ahnte nicht, daß er in nur 14 Jahren, auf Grund des Münchener Abkommens seine neue Heimat wieder verlassen wird und mit 70 Jahren eine neue Bleibe im Landesinneren suchen wird.

Mein geliebter Onkel, ein Arzt und Humanist, starb während des Krieges im Konzentrationslager in Mauthausen.

Unmittelbar nach der "Samtenen Revolution" konnten wir aus den geöffneten Archiven die Nachkriegsgeschichte neu betrachten und bewerten. Mir wurde damals bewußt, welches schwere Schicksal Sie damals getroffen hat. Sie, die unsere deutschen Mitbürger waren. Sie mußten Ihre Heimat, Ihre Häuser verlassen, in denen Ihre Familien Jahrhunderte gelebt haben, und nur mit dem Notwendigsten wurden Sie in das zerbombte und zerstörte Deutschland vertrieben. Es war grausam und ich schäme mich dafür. Als Christ lehne ich eine Kollektivschuld und Rache ab.

Wie soll man in so einer Situation reden, was soll man sagen, um die Wunden nicht noch mehr zu öffnen?

Ich bin froh, daß ich mich von der apostolischen Botschaft aus dem 12. Kapitel des Römerbriefes anleiten lassen kann. Diese Abschnitte enthalten unüberhörbare Aufforderungen, wie man in einer christlichen Gemeinschaft aber auch inmitten von Menschen, für die das Wort Gottes nichts bedeutet, leben kann.

In der Zeit des Apostels herrschte zwischen den Juden und den römischen Bürgern gegenseitiger Haß und Feindschaft. Für die freidenkenden Juden war Rom eine verhaßte Okkupationsmacht. Dieser Haß mündete im Jahr 70 nach Christus in einen grausamen, den sogenannten Jüdischen Krieg.

Apostel Paulus, ursprünglich ein jüdischer Rabbiner, schrieb den Christen in Rom, von denen die meisten auch römische Staatsbürger waren.

Er schreibt von der Liebe, die ohne Falsch ist, die innerlich rein ist. Im 1. Korintherbrief, im 13. Kapitel zeigte er, wie die wirkliche christliche Liebe aussieht:

    Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

"So kann ich nicht leben!" - denken wir vielleicht manchmal. "Wir sind nur Menschen. Wir haben keine Kraft, uns an das Unrecht, das uns andere angetan haben, nicht mehr zu erinnern. Wie haben nicht die Kraft zu einer solchen Vergebung".

Ja, dazu haben wir wirklich nicht genügend Kraft. Eine innere tiefe Vergebung und Versöhnung ist eine der größten Leistungen überhaupt. Der Apostel schreibt aber nicht, daß es das Ergebnis menschlicher Bemühungen ist. Stattdessen erinnert er daran, daß Liebe ein Geschenk des Heiligen Geistes ist.

Heute ist Pfingsten. Von den Geschehnissen beim ersten Pfingstfest haben wir vorhin gehört. Christus erfüllte seine Verheißung. Der Heilige Geist begann, das Denken und das Tun der Apostel und aller, die der Predigt von Petrus geglaubt haben, zu verändern. Eine große Ansammlung von Menschen, die sich um Petrus versammelt hatten, konnten sich plötzlich miteinander verständigen, obwohl sie aus den verschiedensten Ecken dieser Welt nach Jerusalem gekommen waren. Die apostolische Botschaft hat sie persönlich angesprochen. Lukas schreibt, daß die Predigt ihre Seelen getroffen hat wie ein Schwert. Sie haben plötzlich verstanden, daß auch sie keine unschuldigen Menschen sind. Daß auch sie die Schuld an Christus Tod tragen. Und statt die anderen zu beschuldigen, ihre Führer und Staatsmänner, fragen sie nach ihrer eigenen Schuld. Was können wir tun?

Wie können wir alles Böse, das wir angerichtet haben, wieder gut machen? So arbeitet der Heilige Geist. Er berührt unsere Gewissen, so daß wir uns plötzlich in einem ganz neuen Licht sehen können. Er verunsichert unser Gewissen, gleichzeitig wird er uns erneuern, damit wir eine neue Schöpfung werden.

Unsere Sünde können wir nicht abarbeiten oder wieder gut machen. Wir können Sie nur durch Vergebung bewältigen. So wie Christus unsere Sünden und unsere Schuld vergeben hat, so sollen wir einander vergeben. So sprechen wir es auch im Vaterunser aus: "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Christliche Liebe bedeutet immer Vergebung und Versöhnung. Wer nicht vergibt, ist kein Christ und kein Nachfolger Christi.

Der Predigtabschnitt aus dem Römerbrief zeigt ganz konkret, was die Liebe ohne Heuchelei bedeutet.

  • Haßt das Böse, hängt dem Guten an. Der Apostel war überzeugt, daß ein Christ zwischen dem Guten und dem Bösen im alltäglichen Leben unterscheiden kann. Und wenn wir erkennen, daß die Rachsucht, Haß und Gleichgültigkeit böse sind, so sollen wir auf jeden Fall auf sie verzichten.
  • Ehrt einander. Ehrt nicht nur die bedeutenden Persönlichkeiten, sondern auch die Kleinsten unter ihnen, die Verachteten, diejenigen, die am Rand der Gesellschaft stehen: ungeborene Kinder, Alte und Behinderte. Menschen aller Länder und Sprachen haben ein Recht auf Würde. Weil Christus uns zu ihren Brüdern und Schwestern gemacht hat, sind wir verpflichtet, sie als eine wertvolle Schöpfung Gottes zu behandeln.
  • Seid brennend im Geist, dient dem Herrn. In der Offenbarung des Johannes tadelt der auferstandene Herr die Christen in Laodizea deswegen, daß sie lau geworden sind. "Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde." Die Kirchen stecken heute in einer Krise, weil das Christentum für viele nur noch eine schöne Tradition ist. Wir müssen um neuen Schwung bei der Arbeit für Gottes Werk bitten.
  • Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Bis heute denke ich dankbar an eine Reihe von Christen aus Deutschland und anderen westlichen Ländern, die in der kommunistischen Zeit zu uns kamen, um uns zu unterstützen, zu helfen und zu ermuntern. So entstanden viele Freundschaften, die noch bis heute halten.
  • Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht. Betet für eure Verfolger. Nur so können menschliche Beziehungen wieder heil werden.
  • Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Jede Vergeltung macht die endlose Kette der Gewalt nur fester. Zu welcher Aussichtslosigkeit so etwas führen kann, sehen wir an der Situation im Irak und in anderen Ländern.
  • Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Wir müssen begreifen, daß wir selbst nicht imstande sind, die Welt, die so voll von Bösem, Haß und Gewalt ist, zu erlösen. Dort, wo aber wir zum Frieden beitragen können, müssen wir alles tun, was in unserer Macht steht.
Alle unsere Sorgen, unser Leid und unsere Schmerzen dürfen wir an Jesus Christus abgeben. Er heilt Leib und Seele. Und in seiner Hand liegt auch das letzte Gericht. Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums lesen wir:

    Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.

Zu wissen, daß eine endgültige Wertung und Bewertung des menschlichen Lebens in der Hand Christi ist, gibt uns Christen wirkliche Freiheit. Wir müssen nicht an Rache denken, weil wir wissen dürfen, daß Gott gerecht und barmherzig ist.

Das Motto Ihres diesjährigen Treffens lautet: "Wir Sudetendeutschen - Brücke zur Heimat". Ich wünsche Ihnen, daß sie eine wirkliche Brücke nicht nur zu ihrer alten Heimat werden, sondern auch eine Brücke zwischen den Herzen der Menschen. Ich wünsche Ihnen, daß sie die Quelle der Liebe und des Friedens werden. Über so eine Brücke werden nicht nur ihre Kinder und Freunde gerne gehen, sondern auch die Menschen von der anderen Seite. Diejenigen, denen Ihre Heimat zur eigenen Heimat geworden ist, deren Heimat also auch Ihre Heimat ist.

Vergessen wir aber nicht, die einzige, wahre Brücke ist Jesus Christus allein. Er bringt Verständnis, Verständigung und Frieden in menschliche Herzen. Er weckt die wirkliche Hoffnung. Er lädt uns ein:

    Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.



Konvent der ehemaligen Ostkirchen e.V.

Bericht über die Tagung des Konvents der ehemaligen Ostkirchen e.V.
am 25. April 2007 in Hannover

Die Tagung fand an zwei Tagen statt. Eingeladen waren die Hilfskomitees und kirchlichen Gemeinschaften, die sich den evangelischen Kirchen in Osteuropa widmen. Anwesend waren die Vertreter von 22 Organisationen.

Es wurde die Aktivitäten der Vereine dargelegt, die sich uneigennützig in ehrenamtlicher Tätigkeit den Problemen des evangelischen Lebens und der Versöhnung mit den Menschen aus Osteuropa widmen. Ein wichtiger Anteil dabei ist das reichhaltige Besuchsprogramm, welches die Hilfsorganisationen anbieten.

Besonders eingeladen wurden zu folgenden Veranstaltungen

- Jahrestagung des Kirchlichen Fachausschusses für kirchengeschichtliche Arbeit in Budapest vom 27. bis 30. September 2007 zum Thema "Heimat, Flucht und Vertreibung"

- Ein literarischer Erinnerungsvorgang durch das östliche Europa

- 8. Symposium des Arbeitskreises Deutsche Landeskirchengeschichte sowie Verein für Schlesische Kirchengeschichte vom 10. bis 13. Mai 2007 zum Thema "Schweden und der mitteleuropäische Protestantismus"

Ein wichtiger Beratungspunkt auf der Tagung war die neue Beitragsordnung des Konventes. Der Beitrag für unsere Gesellschaft beträgt nun ab 2007 jährlich 150 Euro (bisher 110 Euro).

Zum Abschluß kann berichtet werden, daß die Veranstaltung mit dem fachlichen Austausch sowie dem Kennenlernen der evangelischen Organisationen sehr interessant und vielfältig war und das Wort von der christlichen Solidarität erlebt werden konnte.

Karlheinz Eichler, Leipzig



Evangelische Kommission für Mittel- und Osteuropa

Bericht über die Tagung der Evangelischen Kommission für Mittel- und Osteuropa der EKD (EKMOE) am 25. April 2007 in Hannover

In Abstimmung mit dem Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen fand die Tagung der EKMOE anschließend an deren Zusammenkunft statt.

Zentrale Themen waren die Verbandswahlen, der Orientierungsrahmen für die Arbeit der EKMOE sowie Berichte aus Rumänien und Bulgarien.

Im Bericht des Vorsitzenden Oberlandeskirchenrat Rainer Kiefer, wurde u.a. der Orientierungsrahmen für die Tätigkeit der EKMOE erläutert, der sich, obwohl schon beschlossen, zu einem Hauptthema entwickelte.

Unter der Rubrik "Stärkung des Protestantismus in Europa" wurde von der JMG die Forderung eingebracht, aufzunehmen, daß sich die EKMOE für eine Weitergabe des reformatorischen und kulturellen Erbes sowie die Bewahrung der reichen gemeinsamen Traditionen vor wirtschaftlichen Interessen einsetzt.

Andere Ergänzungen, wie die Bewahrung der Schöpfung sowie verstärkte Zusammenarbeit mit den nordischen Kirchen, wurden von anderen Organisationen angesprochen.

Von der EKMOE wurde zugesichert, nach Prüfung durch den Arbeitsausschuß, den Orientierungsrahmen in dem Sinne fortzuschreiben.

Hoch interessant war der Vortrag von Bischof Dr. Klein aus Sibiu (Hermannstadt) über die Lage der evangelischen Kirchen in Rumänien. Es werden dort ca. 14.000 Christen durch 43 Pfarrer in 145 Kirchengemeinden betreut. Alle Kirchen in Rumänien spielen im Lande bei der Bevölkerung eine große Rolle. Durch die unterschiedliche Mentalität der Kulturen ergeben sich sehr interessante und vielfältige Erlebniswelten bei den Menschen.

Zum Schrumpfungsprozeß der Kirchen in Rumänien bemerkte Prof. Klein: Es ist ein Auftrag der Christen zur Weiterführung als Wille Gottes. Die Christen werden nicht gezählt, sondern gewogen.

Dieser Kernsatz kann auch für uns in dieser heutigen Zeit eine Hoffnung sein.

Angesprochen wurde auch die 3. Ökumenische Versammlung vom 3.-9. September 2007 in Sibiu (Hermannstadt) in Rumänien. 2.500 delegierten Gästen wird das kirchliche Leben in Rumänien nahe gebracht. Es wurden jedoch nur Teilnehmer eingeladen, die bei den Vorgängerveranstaltungen in Rom und Wittenberg dabei waren.

Zusammenfassend kann berichtet werden, daß durch die Gremien der EKD eine interessante evangelische Grundsatzarbeit geleistet wird, die das kirchliche Leben der Lutherischen Kirchen belebt und auch für die Zukunft vorbereitet.

Karlheinz Eichler, Leipzig



Ruhestätte für die deutschen Kriegstoten in Eger?

Immer noch keine endgültige Entscheidung über den Ort der Bestattung der exhumierten Soldaten und Zivilpersonen

Die Sudetendeutsche Zeitung berichtete in ihren Ausgaben Nr. 47 und 49/2007 vom 23. 11. und 7. 12. 2007 zu diesem Thema, daß nach dem Scheitern der Bestattung der Kriegstoten aus finanziellen Grüden in Prag-Weinberge, auch in Hultschin und Marienbad die Aufnahme der über 4.000 Kriegstoten gescheitert ist.

Nun hat der Stadtrat von Eger einem Antrag, in Eger einen entsprechenden Soldatenfriedhof anzulegen, zugestimmt. Allerdings werden folgende Bedingungen gestellt:

1. Der Friedhof soll mit deutschem Geld errichtet werden.

2. Es darf kein rein deutscher Soldatenfriedhof werden, d.h. es müßten dort auch einige nichtdeutsche Kriegstote begraben werden.

3. Die deutsche Seite soll sich auch an der Erneuerung des Egerer Stadtfriedhofs beteiligen.

Eine Äußerung der deutschen Seite zu diesen Bedingungen ist bisher nicht bekannt.

Johanna Gerstberger, Ludwigsburg



Mitgliederversammlung in Bad Kissingen

Niederschrift zur Mitgliederversammlung der Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V., 27.-29. April 2007 in Bad Kissingen.


1. Begrüßung und Eröffnung

Die Beschlußfähigkeit der Mitgliederversammlung wurde durch den Vorsitzenden festgestellt. Das Protokoll der letzten Mitgliederversammlung in Bad Kissingen, abgedruckt in GLAUBE UND HEIMAT Nr. 2/06, wurde zur Kenntnis genommen.


2. Vorstandswahlen

Der Vorsitzende Karlheinz Eichler erläutert, daß zur Vervollständigung der Eintragung im Vereinsregister die auf der letzten Mitgliederversammlung, d.h. für die Amtszeit 2006 bis 2008, durchgeführte Vorstandswahl wiederholt werden muß.

Vorgeschlagen werden als 1. Vorsitzender Karlheinz Eichler, als 2. Vorsitzender Christof Lange und als 3. Vorsitzender Horst Schinzel sowie als Schatzmeisterin Johanna Gerstberger. Die Kandidaten werden von den anwesenden Mitgliedern ohne Gegenstimme und ohne Enthaltungen gewählt. Als Beisitzer werden ohne Gegenstimme und Enthaltungen Gunter Gall, Fritz Reinholz und Dr. Gerhard Messler gewählt.


3. Berichte


3.1 Bericht des Vorsitzenden

Der Vorsitzende legt seinen Bericht für den Zeitraum Mai 2006 bis April 2007 schriftlich vor.


3.2 Treffen mit Dr. Alfred Eckert

Horst Schinzel überbringt herzliche Grüße des ehemaligen Vorsitzenden der Johannes-Mathesius-Gesellschaft, Herrn Dr. Alfred Eckert, der leider aus gesundheitlichen Gründen nicht an den Tagungen teilnehmen kann. Bei dieser Gelegenheit wurden einige Restbestände von älteren Publikationen und Zeitschriften übergeben, die über die Web-Seite einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.

3.3 Tschechisch-deutsches Jugendseminar 2005

Die tschechische Gesellschaft Veritas hat im März 2007 mit einiger Verspätung die Dokumentation des gemeinsamen deutsch-tschechischen Jugendseminars fertiggestellt und per E-mail verschickt. Einige Druckexemplare für JMG-ES, die sich am Projekt finanziell und personell beteiligt hatte, wurden angefordert. Einige Ergebnisse des Seminars sollen sprachlich noch einmal überarbeitet und auf der Web-Seite der JMG-ES veröffentlich werden.


3.4 Evangelisches Diözesanmuseum in Fresach

Karlheinz Eichler berichtet von seinem Besuch im Evangelischen Diözesanmuseum in Fresach, wo sich u.a. auch Ausstellungsgegenstände und Archivmaterialien der JMG-ES befinden. Das von Altbischof Dr. Oskar Sakrausky eingerichtete Museum ist verbunden mit der Evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich. Nach dem Tode von Altbischof Sakrausky sind die Ansprechpartner vor Ort seine Witwe und ihre Tochter, Frau Prinz. Im Blick auf den weiteren Verbleib von Beständen der JMG-ES soll Herr Eichler klären

1. Wer ist der Rechtsträger des Museums und wer ist in der Evangelischen Kirche in Österreich für seine Verwaltung zuständig?

2. Unter welchen Bedingungen kann vereinbart werden, daß die Wertgegenstände aus dem Eigentum der JMG-ES (Bischofskreuz, Hus-Ausgabe aus dem Jahr 1524 u.a.) auch weiterhin als Dauerleihgabe in Fresach ausgestellt werden?

3. Ist der Verbleib von Archivmaterialien in irgend einer Weise gefährdet?


3.5 Deutsch-tschechischer Euregionaler Kirchentag

Gunter Gall berichtet vom deutsch-tschechischen Kirchentag, der in Verbindung mit der grenzüberschreitenden Gartenschau in der Euregio Egrensis stattfand. Positiv bewertet er das reichhaltige Programm, den gut besuchten Gottesdienst, weniger gelungen war eine eher schlecht besuchte Podiumsdiskussion.

Ein persönlicher Brief von Gunter Gall an den sächsischen Landesbischof, der bei seiner Ansprache zwar versuchte, den tschechischen Ortsnamen von Eger zu verwenden, aber nicht in der Lage war, diesen richtig auszusprechen, blieb unbeantwortet. Der Vorschlag von Gunter Gall, Kritik an derartigen Veranstaltungen etwa in Form eines Leserbriefes in unserem Mitteilungsblatt zu veröffentlichen, wurde kontrovers diskutiert. Einigkeit herrschte darüber, daß JMG-ES auch künftig imstande sein muß, auf aktuelle Äußerungen und Ereignisse zu reagieren. Vor der Veröffentlichung von dezidiert kritischen Stellungnahmen etwa gegenüber Vertretern der Landeskirchen müssen diese jedoch hinsichtlich Form und Inhalt zwischen den Vorstandsmitgliedern konsultiert werden.


3.6 Bayerischer Beirat der Vertriebenenarbeit und EKMOE

Beim Treffen des Bayerischen Beirats der Vertriebenenarbeit vertrat die JMG-ES Horst Schinzel. Dort wurde auch der neue "Orientierungsrahmen der EKMOE" vorgelegt, allerdings erst ganz am Ende der Sitzung, so daß eine Aussprache zu diesem Thema nicht mehr möglich war. Aus diesem Grunde erstellte Horst Schinzel in Zusammenarbeit mit Karlheinz Eichler eine Vorlage für der Beratung der EKMOE, in der die Ergänzung des Orientierungsrahmens vorgeschlagen wurde. Auf der Tagung der EKMOE am 25.04.2007 brachte Karlheinz Eichler für die JMG-ES diesen Änderungsvorschlag ein.

Der Änderungsvorschlag der JMG-ES zielt darauf ab, die Wahrung des evangelischen Erbes in der aktuellen in den osteuropäischen Ländern ablaufenden Geschichtsdebatte als ein gemeinsames Anliegen der in der EKMOE vertretenen Verbände festzuhalten. Der von Horst Schinzel ausgearbeitete Vorschlag verdeutlicht dieses Anliegen am Beispiel der Tschechischen Republik, aber auch den evangelischen Diasporakirchen anderer Ländern sind Probleme dieser Art gut bekannt. Außerdem geht es darum zu verhindern, daß wirtschaftliche Interessengruppen (z.B. des Stromanbieters EON, der die Bayerische Landesausstellung mitfinanziert) mit dem Geschichtsbild manipulieren und das evangelische Erbe in der Öffentlichkeit diskreditieren. Der Vorschlag wurde von der EKMOE diskutiert, ohne daß jedoch eine Änderung beschlossen wurde. Stattdessen wurde vereinbart, die genaue Formulierung der Redaktionskommission zu überlassen und den Vorschlag dann zusammen mit einigen weiteren zu erwartenden Änderungen in den Text einzuarbeiten.

Die Mitgliederversammlung beschließt, die Angelegenheit in den genannten Gremien weiter zu verfolgen.


4. Finanzbericht und Rechnungsprüfung

Der Finanzbericht konnte infolge der Erkrankung der Schatzmeisterin nicht vorgelegt werden. Die Mitgliederversammlung wünscht Johanna Gerstberger eine rasche Genesung.

Die Mitgliederversammlung beauftragt mit der Rechnungsprüfung Fritz Reinholz und Rainer Schmelzle. Diese werden Finanzbericht und die Buchhaltung prüfen und auf der nächsten Mitgliederversammlung berichten.


5. Planungen 2007


5.1 Jahrestag der Brüderunität

Bei den zentralen Feiern zum 550. Jahrestag der Gründung der Brüderunität in Mladá Boleslav, die sich leider mit der Jahrestagung der JMG-ES zeitlich überschneiden, spricht Horst Schinzel ein Grußwort.


5.2 Bayerische Landesausstellung 2007 in Zwiesel

Horst Schinzel berichtet über die Vorbereitungen für die Landesausstellung "Bayern - Böhmen" vom 25. Mai bis 14. Oktober 2007 in Zwiesel durch das Bayerische Haus der Geschichte und das Collegium Carolinum. Nach den bisher zugänglichen Unterlagen ist zu befürchten, daß die Ausstellung einseitig und indifferenziert anti-protestantisch gestaltet ist. Horst Schinzel wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit den übrigen Vorstandsmitgliedern, einen Brief an den bayerischen Wissenschaftsminister T. Goppel zu formulieren und diesen bei der Ausstellungseröffnung zu überreichen. Das Schreiben soll das Bedauern der JMG-ES über die wissenschaftlichen Mängel der Ausstellung zum Ausdruck bringen und belegen, wo die nicht-römisch-katholischen Aspekte der jahrhundertelangen Nachbarschaft übergangen oder verzerrt dargestellt werden. Christof Lange soll befreundete tschechische Organisationen oder Kirchen ansprechen und klären, ob eine vergleichbare Stellungnahme von tschechischer Seite an den bei der Ausstellungseröffnung ebenfalls anwesenden tschechischen Kultusminister verfaßt werden kann.


5.3 Gemeindejubiläum in der Kirche St. Michael in Prag

Am 3. Juni 2007 feiert die slowakische evangelische Gemeinde an St. Michael in Prag ihr 60-jähriges Bestehen. Karlheinz Eichler und Christof Lange klären, wie die JMG-ES bei der Feier repräsentiert wird und bereiten ggf. ein Grußwort vor.


5.4 Gottesdienst auf dem Sudetendeutschen Tag

Horst Schinzel übernimmt in Zusammenarbeit mit dem Organisationsbüro des Sudetendeutschen Tages stellvertretend für die erkrankte Johanna Gerstberger die Organisation des Gottesdienstes vor Ort. Christof Lange hilft in Rücksprache mit Pfarrer Dr. Pavel Smetana bei der Auswahl der Lieder und erstellt ein Gottesdienstblatt, das bereits in Prag vervielfältigt wird.

Die Kollekte im Gottesdienst wird für die Arbeit der Diakonie Braunau verwendet, die in der gesamten Tschechischen Republik Textilspenden sammelt und in Braunau Obachlose, schwer vermittelbare Arbeitslose und ehemalige Strafgefangene bei der Reintegration ins Erwerbsleben und die Gesellschaft hilft. Braunau unterhält eine sehr lebendige Städtepartnerschaft mit Forchheim. In Braunau gibt es eine Gemeinde der EKBB. Die Diakonie beteiligt sich auch an der Renovierung der Kirche der Tschechoslwakischen Hussitischen Kirche. Eine Information über die Diakonie wird auf dem Gottesdienstblatt abgedruckt.

5.5 Publikationen

Für die selbständige Herausgabe der Übersetzung "Rat an König Georg" fehlen der JMG-ES die finanziellen Mittel. Falls Dr. Gerhard Messler einverstanden ist, wird der Text digitalisiert und ins Internet gestellt. Zum persönlichen Gebrauch für Dr. Messler und andere interessierte Mitglieder kann der Text in einigen Exemplaren als Broschüre ausgedruckt werden.


5.6 Mitgliederversammlung 2008

Die nächste Mitgliederversammlung der JMG-ES findet in der zweiten Aprilhälfte 2008 voraussichtlich in Heilsbronn statt. Christof Lange klärt die Möglichkeit der Unterbringung im Religionspädagogischen Zentrum. Schwerpunktthema soll Leben und Werk des brüderischen Indianermissionars David Zeisberger werden. Horst Schinzel sucht nach geeigneten Referenten und klärt im Kontakt mit der Moravian Church, ob diese eventuell in der Lage ist, Ausstellungsgegenstände für die Präsentation in Deutschland und der Tschechischen Republik bereitzustellen.


5.7 Bibliothek der JMG-ES

Von der an Prof. Schwarz übergebenen Literatur aus den Beständen der JMG-ES fehlt noch immer eine Liste. Karlheinz Eichler kümmert sich um deren Erstellung.


6. Sonstiges

Eine Einladung der EKMOE zu einer kirchengeschichtlichen Tagung wird an die anwesenden Mitgieder verteilt.



Teilnehmer der Jahrestagung der in Bad-Kissingen (von links nach rechts): Rainer Schmelzle, Horst Drescher, Gunter Gall, Horst Schinzel, Christof Lange, Karlheinz Eichler



Jahresbericht des Vorsitzenden

Bericht über die Arbeit der Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V. im Zeitraum Mai 2006 bis April 2007, vorgelegt auf der Mitgliederversammlung, 27.-29. April 2007 in Bad Kissingen.

In Einschätzung der Tätigkeit der JMG im Berichtszeitraum ist zu bemerken, daß der Schwerpunkt auf eine stärkere Verbindung zu den böhmischen evangelischen Christen orientiert ist. In theologischen und historischen Grundsatzarbeiten wird ständig Bezug genommen zu der alten Heimat im Sudetenland und den jetzt dort lebenden Menschen. Dabei ist es uns ein wichtiges Anliegen, besonders der Jugend diese historische Situation nahe zu bringen und so zu einem besseren Verständnis zwischen den beiden Volksgruppen beizutragen.

In Tschechien setzt sich besonders unser 2. Vorsitzender, Herr Pfarrer Christof Lange, für dieses Versöhnungswerk ein. Es ist ihm dafür ganz herzlich zu danken.

Im Folgenden sind die einzelnen Aktivitäten dargestellt, die von einem kleinen, aber aktiven Kreis unserer Mitglieder und besonders des Vorstandes wahrgenommen wird:

  • Durchführung der Jahreshauptversammlung und Mitgliederversammlung in Bad Kissingen
  • Teilnahme an den Tagungen des Beirates für Vertriebenenarbeit der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Bayern e.V.
  • Teilnahme am Sudetendeutschen Tag und Ausrichtung des evangelischen Gottesdienstes
  • Absicherung und Herausgabe der Vereinsmitteilung GLAUBE UND HEIMAT
  • Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bayerischen Landesausstellung "Bayern - Böhmen" 2007 in Zwiesel/Bayern
  • Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien
  • Zusammenarbeit mit der EKMOE und der EKD
  • Zusammenarbeit mit dem Bund der Vertriebenen
  • Teilnahme an der Jubiläumsveranstaltung der Ackermanngemeinde zum 60. Jahrestag ihres Bestehens in Erfurt/Thüringen
  • Durchführung von deutsch-tschechischen Gottesdiensten im Grenzgebiet Bayern/Tschechische Republik
  • Aktivitäten zur Initiierung eines Jan-Hus-Pilgerweges in Tschechien und Bayern
  • Zusammenarbeit mit der Mitgliedern der JMG in Österreich bezüglich des interessanten Evangelischen Diözesanmuseums in Fresach/Kärnten, wo wichtige Zeugnisse der JMG zu besichtigen sind
  • Erstellung einer aktuellen Web-Seite der JMG
  • Einschaltung um die Bewahrung und würdige Bestattung von 4.000 deutschen Soldaten und 250 Zivilisten des 2. Weltkrieges in Tschechien


Jahrestagung 2008:
2.-4. Mai in Heilsbronn

Alle Mitglieder und Freunde der Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V. laden wir schon heute ganz herzlich zu unserer nächsten Jahrestagung vom 2. bis 4. Mai 2008 in das Religionspädagogische Zentrum nach Heilsbronn ein.

Freitag, 2. Mai

Beginn um 16 Uhr mit der Mitgliederversammlung
Nach dem Abendessen Aussprache über aktuelle Themen

Sonnabend, 3. Mai

Vorträge und Diskussionen zu den kirchengeschichtlichen Themen des Jahres 2008:

- Georg der Fromme und die Einführung der Reformation in der Region Nürnberg

- David Zeisberger (1721-1808) und die Herrnhuter Mission in Nordamerika

- Die Jahrestage der Verbrennung des Täufers Balthasar Hubmaier (1528) und des Waldensers Friedrich Reiser (1458)

Sonntag, 4. Mai

Teilnahme am Gottesdienst im Heilsbronner Münster
Gemeinsamer Abschluß und Mittagessen


Das detaillierte Programm und ein Anmeldeformular finden Sie in der Osterausgabe von GLAUBE UND HEIMAT oder auf der Webseite der Mathesiusgesellschaft http://www.volny.cz/mathesius. Eine Anreisebeschreibung finden Sie hier.

550 Jahre Brüderunität

Zweiter Teil: Von der Reformation bis heute

Der in der letzten Ausgabe von "Glaube und Heimat" abgedruckte erste Teil behandelte die Geschichte der Brüderunität von ihren Anfängen im 14. Jahrhundert bis zum Beginn der Reformation in Deutschland.

Siegel

Die Brüder im Zeitalter der Konfessionalisierung

Die Ausbreitung der europäischen Reformationsbewegung begann sich auch auf die Brüder in Böhmen auszuwirken.

Durch Markgraf Georg von Brandenburg, der in seinen schlesischen Besitzungen um Jägerndorf (Krnov) die lutherische Reformation eingeführt hatte, entstand die Bekenntnischrift "Rechenschaft des Glaubens" mit einem Vorwort Luthers.

Im Jahre 1530 öffneten sich die Brüder durch eine Gruppentaufe dem Adel. Die brüderischen Herren nehmen dann auch am Schmalkaldischen Krieg 1546/1547 teil, in dem es um das Überleben des Protestantismus ging. Seinen Sieg nutzt König Ferdinand aus, um gegen die Brüder vorzugehen. Da lediglich die böhmischen Stände am Krieg teilgenommen hatten, wurde die Brüder-Unität in Böhmen durch Zwangsübertritt oder Auswanderung ausgelöscht, Bischof Augusta auf der Burg Pürglitz (Køivoklát) gefangen gehalten. Nur in Mähren, dessen Stände sich nicht am Krieg beteiligt hatten, blieb die Brüder-Unität erhalten.

Viele Brüder fanden in Preußen und Polen ihr Exil. Preußen war unter Herzog Albrecht eines der ersten deutschen Gebiete, die sich der Reformation angeschlossen hatten. Eine Gruppe zieht über Posen und Thorn, eine weitere kommt von Leitomischl (Litomy¹l). Es ist ein schwieriges Miteinander. Viele fühlen sich von den Lutheranern theologisch gegängelt, und dann gerät man auch noch in die Fronten der lutherischen Lehrstreitigkeiten. Als sich die Situation in Böhmen bessert, kehrt ein Teil zurück. Andere bleiben in Polen.

In Polen gab es eine große Unterstützung des Adels für die reformatorische Sache, man sprach von einem goldenen Zeitalter unter den letzten beiden Jagiellonen. Die zweite Frau Sigmund I., Bona Sforza, bringt neben der Renaissance auch einige nichtrömische Theologen wie Lismanini und Vergerio aus ihrem Heimatland nach Polen. Als 1555 die Glaubensfreiheit festgeschrieben wird, wird Polen ein Tummelplatz von Lutheranern (vor allem in den Städten mit einem deutschen Bevölkerungsanteil), Antitrinitariern und Unitariern. Wegen der Bedeutung der Rolle der Laien hatte der Kalvinismus unter dem Adel viele Anhänger. In der Nähe von Posen, auf den Gütern der Grafen von Ostorog und in Lissa (Le¹no) befinden sich Zentren der Brüder, man kann sogar von einem eigenständigen polnischen Zweig der Brüderunität sprechen. Von Anfang an jedoch war die große Schwäche des polnischen Protestantismus seine Zersplitterung, die auch der große reformierte Theologe Laski nicht überwinden kann.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Druck in Böhmen geringer, in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) konnte mit dem Bau des großen Gemeindehauses (Sbor) begonnen werden. Geleitet werden die Brüder von Bischof Jan Blahoslav (1523-1571). Besonders viel gelegen ist ihm an der Bildung. Die Gemeinden erhalten eigene Schulen, junge Prediger werden ausgebildet, Gesangbücher gedruckt, 1561 in Szamotuly (Polen) und 1564 in Eibenschütz (Ivanèice).

Gerade die dortige Druckerei wurde sehr wichtig. 1566 wird in Eibenschütz das deutsche Gesangbuch von Bruder Michael Tham, in den Jahren 1579-1594 auch die tschechische Übersetzung des Alten und Neuen Testamentes aus dem nahegelegenen Kralitz (Králice) gedruckt. Diese Übersetzung gewann im 19. Jahrhundert als eine der wichtigsten Quellen für die Wiedergeburt der tschechischen Sprache höchste Bedeutung. Diese Bibelübersetzung steht auch unter dem Einfluß kalvinistischer Theologie, die ab den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts einsetzt. Ordnung, Disziplin und die Bedeutung des Gemeindelebens, das war es, was viele Brüder an Kalvin gefiel.

Mit wieder zunehmenden Druck einigten sich die böhmischen Evangelischen auf ein gemeinsames Bekenntnis, die "Böhmische Konfession" von 1575. Ausgehend von der Rechtfertigung durch den Glauben, wird die christliche Lebenspraxis betont. Am 18. Mai 1575 wird die Konfession dem Kaiser zugeschickt.

Doch der Druck des Bekenntnisses wird verboten, gegen die Brüder wird das Sankt-Jakobs Mandat erneuert und 1602 wird der "Sbor" geschlossen, die Immoblien werden weggenommen und gegen die geistigen Leiter wird vorgegangen.

Dann wird das grausame Spiel der europäischen Geschichte auf böhmischen Boden vorweggenommen. War Böhmen als eines der ersten Länder protestantisch geworden, so sollte es nun als eines der ersten gewaltsam rekatholisiert werden. 1609 konnten die Stände von Kaiser Rudolf II. noch einmal in seinem Majestätsbrief Religionsfreiheit und die Anerkennung der Confessio Bohemica erlangen. Doch als die Stände aufgrund dieses Majestätsbriefes sich gegen die Schließung evangelischer Kirchen wehren, kommt es zur Auseinandersetzung. Längst war das Ringen der Jesuiten und des Papstes gegen die zu 90 Prozent nichtkatholische Bevölkerung in vollem Gange. Dann reklamieren die Stände für sich die Wahl des Königs. Die Wahl fällt auf Friedrich V. von der Pfalz. Einen Winter ist er König. Als die Nachrichten von der Schlacht am Weißen Berg zu Jahresende 1620 nach Rom gelangen, feiert man dort dermaßen ausgelassen, daß Papst Paul V. an den Folgen seines Zusammenbruches stirbt.


Der letzte Brüderbischof Jan Amos Comenius

Er ist am 28. 3. 1592 in Südmähren, wohl in Nivnice geboren. Der Junge verlor früh seine Eltern. Nach dem Besuch der Lateinschule in Prerau (Pøerov) studierte er im kalvinistischen Herborn und vollendete sein Studium in Heidelberg. 1614 kehrt er an seine ehemalige Schule als Rektor zurück und wird am Vorabend des 30-jährigen Krieges 1618 Prediger in Fulnek am Georgskirchlein, das noch heute besteht. Nach der Schlacht am Weißen Berg versteckt er sich in den umgebenden Wäldern. Durch die Pest verliert er seine Frau und beide Töchter, als die Stadt 1621 in Flammen aufgeht, Hab und Gut.

Jetzt beginnt sein Leben auf der Wanderschaft durch einen großen Teil Europas. Zunächst findet er Zuflucht bei den ®erotíns in Brandýs, er heiratet nochmals, drei Töchter und ein Sohn entstammen dieser Ehe.

Als 1627 alle Evangelischen vertrieben werden, zieht Comenius mit seiner Schar nach Lissa in Polen. Dort entfaltet er eine reiche pädagogische Tätigkeit, 1648 wird er Bischof der Brüder-Unität. Deshalb wirkt er 1641 in England. Von 1642 bis 1648 zieht er im Auftrag des schwedischen Kanzlers Oxenstierna mit der Familie in die schwedisch besetzte bedeutende preußische Stadt Elbing an der Weichsel-Nehrung. Vergeblich hofft er bei den Friedensverhandlungen am Ende des Dreißigjährigen Krieges auf die Wiedererrichtung seiner Kirche.

Als er 1648 nach Lissa zurückkehrt, stirbt seine zweite Frau, 1649 heiratet er zum dritten Male. In den folgenden Jahren wird Siebenbürgen sein Aufenthaltsort. Das Siebenbürger Fürstentum, ein Spielball zwischen Habsburg und den Türken, konnte dem Protestantismus Schutz vor der Gegenreformation bieten. Hier versucht Comenius wiederum die Landkarte seiner geliebten Heimat umzuschreiben. Von 1650 bis 1654 weilt er in Sáospatak auf Einladung des Fürsten Rákóczi. Ihm gelingt, die Hochzeit zwischen Sigismund Rákóczi und der Tochter des Winterkönigs einzufädeln. Seine Pläne auf ein umfassendes protestantisches Bündnis scheitern, als Henriette von der Pfalz und kurz darauf ihr Gatte stirbt.

Zwei Jahre hält es Comenius noch in Siebenbürgen aus. Dann beginnt die Odysee von neuem. Er kehrt nach Lissa zurück, setzt wiederum alle Hoffnungen auf die Schweden, woraufhin polnische Truppen 1656 Lissa dem Erdboden gleichmachen, Comenius verliert wiederum alles, sein Vermögen und seine Bibliothek und vor allem seine Aufzeichnungen.

Danach geht er nach Amsterdam, seinem letzten Exil. Die Liebe zu seiner Heimat hat er ein Leben lang bewahrt: "Deiner, Böhmisches und mährisches Volk, lieben Heimat, kann ich ... nicht vergessen." Selbst in seiner letzten Schrift, unvollendet auf Zetteln beschrieben, gibt er die Hoffnung nicht auf, daß von seiner Heimat eine religiöse Erneuerung Europas ausgeht. "Das Paradies der Erde ist Europa. Das Herz Europas Deutschland, und Deutschlands Herz ist Böhmen. - Ein Land, wo Milch und Honig fließt." Im Alter von 78 Jahren starb Comenius am 15. (oder 25.) November 1670 in Amsterdam.


Die erneuerte Brüdergemeinde

Tausende wanderten nach der Schlacht am Weißen Berg aus, vor allem nach Sachsen und Brandenburg. Die meisten von ihnen assimilierten sich nach ein oder zwei Generationen sozial und kirchlich.

Auch vom Exil aus vergißt Comenius seine Glaubensbrüder in seiner letzten mährischen Wirkungsstätte in Fulnek nicht. Es gelingt ihm, die umliegenden Dörfer mit seinen Schriften zu versorgen.

1722 siedelten sich auf den Lausitzer Besitzungen des dem halleschen Pietismus nahestehenden Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760) Glaubensflüchtlinge vor allem aus dem nordostmährischen sog. Kuhländchen an.

Als Geheimprotestanten machten sie sich auf den weiten Weg nach Teschen an der schlesischen Grenze und hören dort an der Gnadenkirche, die durch die Altranstädter Konvention von 1707 den Evangelischen in Schlesien zugestanden worden war, den pietistischen Pfarrer Steinmetz predigen.

Am 17. Juni 1722 fällt der Zimmermann Christian David aus Senftleben (®enklava) den ersten Baum zur Gründung der neuen Siedlung Herrenhut. Die meisten Bewohner - die Familien Nitschmann und Zeisberger - stammen aus der Gemeinde Zauchtel (Suchdol). Trotz Auswanderungsverbotes holen sie, vor allem Christian David, immer mehr Landsleute nach. Fünf Jahre nach der Gründung stammten die Hälfte der 300 Bewohner aus Mähren.

Vielfältig waren die Konflikte in den ersten Jahren. Die Emigranten bemängelten, es sei ihnen alles zu katholisch, der Beichtstuhl und die Privatbeichte. Trotz aller Versuche Zinzendorfs, den Mährern entgegenzukommen, kam es 1727 zum großen Konflikt und zur Lösung durch die Erweckung bei einer Abendmahlsfeier in Berthelsdorf am 13. 8. 1727. In den Statuten werden die Laienämter und die Gestaltung des gottesdienstlichen Lebens mit eigenen liturgischen Formen wie Singstunde, Stundengebet und Liebesmahl geregelt.

Es wurde akzeptiert, daß die Emigranten aus einer eigenen, reformatorischen Kirche stammen. Dazu hat wohl auch die Begegnung mit Daniel Jablonski, einem Enkel von Comenius beigetragen. Jablonski war reformierter Oberhofprediger in Berlin. Davor hatte er im polnischen Lissa das Bischofsamt der Brüder-Unität, die dort im Exil lebte, empfangen. So erfährt Zinzendorf über die Traditionen dieser Kirche. Und es kommt zu einem weitreichenden Schritt. Am 13. 3. 1735 wird in der Wohnung Jablonskis im kleinen Kreis David Nitschmann, durch Handauflegung die Einsegnung erteilt.


Mission

Mit der Weitergabe der Ordination. war somit der Grundstein gelegt für die weltweite Mission. Als Zinzendorf 1731 in Kopenhagen bei den Krönungsfeierlichkeiten von Christian VI. weilt, erfährt er von Missionsversuchen in Grönland und auf St. Thomas.

Bereits im August 1732 ziehen die ersten Missionare, David Nitschmann und Leonhard Dobler auf die dänische Karibikinsel St. Thomas. Im Januar 1733 brechen Christian David und die Brüder Stach nach Grönland auf. Im nächsten Jahr ziehen Missionare nach Lappland sowie in die englische Kolonie Georgia. 1735 gelangen die ersten Brüder in das holländische Surinam, 1737 erreichen sie die holländische Kolonie an der Spitze Südafrikas und 1739 befindet sich David Nitschmann im holländischen Ceylon.

Vielleicht war es auch der Missionsgedanke, der von nun an die anfänglichen Probleme in den Hintergrund treten ließ. Denn die Mährer hatten erheblichen Anteil an der erfolgreichen Missionsarbeit, vor allem David Nitschmann, Christian David, Anna Gold in Estland und Rußland und David Zeisberger, der "Apostel der Indianer" in Nordamerika, allein aus Zauchtel sind 50 Missionare bekannt.

Die ersten Missionsversuche in Nordamerika begannen Mitte der dreißiger Jahre in Georgia. 1741/42 bereist Zinzendorf selbst Amerika. Er besucht verschiedene Indianerstämme. Es kommt zu Streitgesprächen mit den konkurrierenden evangelischen Gruppierungen und zur Gründung der Ortschaft Bethlehem in der englischen Kolonie Pennsylvania. Unter Bischof Spangenberg wird Land in North Carolina erworben. Noch heute bilden Bethlehem und Winston-Salem in North Caroline die beiden Zentren der jetzigen Nord- und Südprovinzen der Moravian Church. Von Bethlehem aus wird eine Vielzahl von Missionsstationen unter den Indianern gegründet, die unausweichlich in den Wirbel der Auseinandersetzungen über die Vertreibungen der Indianer und die Loslösung der Kolonien vom Mutterland hineingeraten. Die Tagebuchaufzeichnungen der Missionare liefern dafür ein reiches Bild, nicht alles ist bisher ausgewertet.

In der Nähe von Bethlehem, in Nazareth, baut man dem Grafen eigens ein Schloß - für den Fall einer erneuten Ausweisung aus Sachsen.

Die Moravian Church in den Vereinigten Staaten ist der amerikanische Zweig der Brüdergemeinde. Sie teilte sich 1771 in zwei Provinzen, Nord- und Südprovinz, nach dem Unabhängigkeitskrieg löste sie sich vom Mutterland England, 1857 wird sie endgültig von der europäischen Leitung unabhängig.


Weltweite Kirche

Am bekanntesten ist die Brüdergemeinde durch die Herausgabe der täglichen Losungen seit 1731, die heute in 50 Sprachen übersetzt werden.

Heute führt die Brüdergemeinde verschiedene Namen: Brüder-Unität bezieht sich auf den lateinischen Namen "Unitas Fratrum", dem Namen der Böhmischen Brüder, Herrnhuter Brüdergemeine weist auf die erneuerte Brüdergemeinde in Herrnhut hin. In der Tschechischen Republik heißen sie Jednota Bratrská; in den USA wird die Bezeichnung Moravian Church geführt.

In Europa gingen durch den 2. Weltkrieg die Gemeinden in Schlesien verloren, die Teilung der Kontinentes führte auch zu einer Trennung der Distrikte Ost mit Sitz in Herrnhut und West mit Sitz in Bad Boll. Die Brüdergemeinde ist seit 1948 Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen und seit 1949 der EKD angeschlossen

Heute ist die Evangelische Brüder-Unität eine evangelische Freikirche, die in 30 Ländern vertreten ist und weltweit 825.000 Mitglieder in 19 Provinzen zählt.

Als Folge der ausgedehnten Missionstätigkeit im 18. und 19. Jahrhundert befinden sich diese Provinzen in der Karibik (Westindische Inseln, Jamaika, Surinam und Guayana), in Mittelamerika (Nikaragua, Honduras, Kosta Rica), Nordamerika (Nord- und Südprovinz in den USA, Labrador und Alaska) sowie in Südafrika und Tanzania.

In Europa hat die Brüderunität 30.000 Mitglieder. Diese sind aufgeteilt in drei selbständige Kirchenprovinzen: Tschechische Republik, Großbritannien und Festländische Provinz (Deutschland, Niederlande, Schweiz, Dänemark, Schweden, Estland und Lettland) mit 16.000 Mitgliedern, davon in Deutschland ca. 6.000 Mitglieder in 17 Gemeinden.

Eine Synode der Festländischen Provinz wird alle zwei Jahre abgehalten, letztmals 2006 in Neuwied. Die nächste Synodaltagung findet 2008 in der Gemeinde Christiansfeld in Dänemark statt.

Horst Schinzel


Literatur

Cranz, David, Alte und Neue Brüder-Historie, Neudruck Hildesheim 1973

Dieterich, Veit-Jakobus, Johann Amos Comenius, Stuttgart 2003

Müller, Joseph Th., Geschichte der Böhmischen Brüder, Herrnhut 1922

Loskiel, Georg, Geschichte der Mission der evangelischen Brüder unter den Indianern in Nordamerika, Neudruck Hildesheim 1989

Øíèan, Rudolf, The History of the Unity of Brethren, Bethlehem 1992

Unitätsarchiv in Herrnhut, Graf ohne Grenzen, Herrnhut 2003

Teltschik, Walter, Zauchtel, Heidelberg 2007



Kontakt

Unsere Anschrift lautet:

Johannes-Mathesius-Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Honorarkonsul i.R. Karlheinz Eichler
Bahnstraße 16, 04416 Markkleeberg
Telefon/Fax: 0049 (0) 34299 - 75270

E-mail: mathesius@volny.cz
Webseite: http://www.volny.cz/mathesius


Spenden

Wir bitten ganz herzlich um Spenden für die Finanzierung der Weiterführung unserer Arbeit. Überweisungen bitte auf das folgende Konto

Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Bankhaus J. Faisst, Wolfach, 12104 (BLZ 664 327 00)


Impressum

"Glaube und Heimat" ist das Mitteilungsblatt der Johannes-Mathesius-Gesellschaft Evangelische Sudetendeutsche e.V. Herausgegeben von Honorarkonsul i.R. Karlheinz Eichler, Bahnstraße 16, D-04416 Markkleeberg. Zusammenstellung und Layout: Johanna Gerstberger, Schumannstr. 28, 71460 Ludwigsburg.

Redaktionsschluß für die Osterausgabe 2008: 1. Februar 2008 (Termin bitte unbedingt einhalten!)




Zeitschrift:

> Bezug per E-Mail
> Glaube und Heimat 1/2011
> Glaube und Heimat 1/2011 (PDF-Datei zum Ausdrucken)
> Glaube und Heimat 2/2010
> Glaube und Heimat 2/2010 (PDF-Datei zum Ausdrucken)
> Glaube und Heimat 1/2010
> Glaube und Heimat 1/2010 (PDF-Datei zum Ausdrucken)
> Glaube und Heimat 2/2009
> Glaube und Heimat 1/2009
> Glaube und Heimat 2/2008
> Glaube und Heimat 1/2008
> Glaube und Heimat 2/2007
> Glaube und Heimat 1/2007
> Glaube und Heimat 2/2006
> Einladung zur Mitarbeit
> Redaktion

Valid HTML 4.01!
© Copyright 2006-2019 Johannes-Mathesius-Gesellschaft - Evangelische Sudetendeutsche e.V.
www: https://www.mathesius.org Mail: info@mathesius.org
Webhosting: wyl.de Tuesday, 29-Jan-2019 12:48:28 CET