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1871 bis 2011:
Die Reformation erreichte Eger, im Unterschied zum nahen Vogtland und dem
Ascher Gebiet, offiziell erst im Jahr 1564. Am 19.11.1564 fand der erste
evangelische Gottesdienst über Matthäus 24 in Eger statt. Die heutige
katholische St. Niklaskirche war von 1564 bis 1627 evangelische Kirche, also
auch noch kurze Zeit während der Gegenreformation. 1590 waren in Eger nur
noch zwei Familien katholisch. Man wird aber davon ausgehen müssen, dass die
Egerer Bevölkerung schon bereits früher zu einem erheblichen Teil evangelisch
war, denn in den Jahren 1541, 1551 und 1555 besuchte Philipp Melanchthon, der
Mitreformator und Freund Martin Luthers Eger und wurde von den Stadtvätern
jeweils ehrenvoll empfangen. Ein weiterer Hinweis auf das frühe Vorhandensein
zahlreicher Evangelischer in Eger ist der Bau der evangelischen
Dreifaltigkeitskirche im Jahr 1617. Sie wurde auf dem Friedhof vor dem
Obertor, dem späteren Stadtpark, errichtet. Als Eger wieder katholisch wurde,
verödete sie und verfiel zwangsläufig. |
Die Friedenskirche in Eger, Schmeykalstraße rechts im Vordergrund das Pfarrhaus (Archivbild: Arno¹ta Franke)
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Die Friedenskirche steht im schönsten Teil von Eger, ca. 300 Schritte vom Marktplatz entfernt. Sie ist in neugotischem Stil errichtet worden, in unmittelbarer Nähe stehen Schul- und Pfarrhaus. Man hat auf jeglichen äußeren Zierrat verzichet, so wirkt sie allein durch ihre Schlichtheit und die beeindruckenden Größenverhältnisse. Besonders auffallend ist der hohe, schlanke Turm, der sich über dem westlichen Haupteingang mit seiner Kreuzrose bis zur einer Höhe von 40 m erhebt.
Das Innere der Kirche wird von sechs Spitzbogenfenstern stimmungsvoll erhellt. Auch im Innenraum hat man auf ornmentale Mittel verzichtet. Die drei Glocken mit den Inschriften
Die Orgel kommt aus der Werkstätte von G.F.Steinmeyer und Co. aus Öttingen, ist zweimanualig und hat 14 Register. Das besondere an der Orgel ist, dass sie heute wohl die einzige noch nicht modernisierte Steinmeyer-Orgel ist. Jeder, der die Orgel einmal gehört hat, hofft, dass sie noch lange ihren ursprünglichen, wunderschönen Klang behält. Taufstein und Altartisch sind aus Fichtelgebirgsgranit. Auf der Vorderseite des Altartischs wurde die vergoldete Inschrift "Friede sei mit Euch!" angebracht. Der Altaraufsatz hat die Form eines gotischen Hochaltars.
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Das Altarbild "Der segnende Christus" wurde von dem Wiener Maler Karl Hemmerlein als Ölgemälde hergestellt (Archivbild: Cheb Evangnet)
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Er wurde der Gemeinde beim deutsch-tschechischen Versöhnungsgottesdienst im Juni 2009, an dem auch eine ganze Reihe vertriebener deutscher evangelischer Gemeindeglieder teilnahm, der Gemeinde präsentiert. Einen schöneren Anlass hätte es nicht geben können, denn man feierte an diesem Sonntag 10 Jahre deutsch-tschechische Versöhnungsarbeit an der Friedenskirche.
Leider haben sich manche andere Ausstattungsgegenstände, die ebenfalls verschollen sind, bis heute nicht wieder gefunden.
Die Friedenskirche in Eger hat in den 140 Jahren ihres Bestehens bisher fünf verschiedene Staaten und ihre unterschiedlichsten Regierungsformen erlebt. Gebaut und eingeweiht zur Regierungszeit Kaiser Franz Joseph I. im Kaiserreich Österreich-Ungarn, kam Eger nach Ende des 1. Weltkriegs zu der im Jahr 1918 neu gegründeten 1. Tschechoslowakischen Republik. Damit wurde auch für die Evangelische Kirche die Verbindung zum Konsistorium in Wien zerschlagen und für die Deutschen die neue Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien (DEKiBMS), mit dem Sitz der Kirchenleitung in Gablonz, gegründet. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes aufgrund des Münchner Abkommens im Herbst 1938 gehörte Eger zum Gebiet des Deutschen Reiches. Die DEKiBMS wurde Mitglied der Deutschen Evangelischen Kirche. Nach Ende des 2.Weltkriegs kehrte Eger 1945 in die Tschechoslowakei, nämlich in die 2.Tschechoslowakische Republik, zurück. Seit Teilung der Tschechoslowakei am 1.1.1993 in zwei selbständige Staaten gehört Eger zurTschechischen Republik.
In der Zeit, als die evangelische Kirchengemeinde in Eger die Heimat einer nahezu rein deutschen Gemeinde war, also zwischen 1864 und 1946, haben nur drei Seelsorger diese Gemeinde betreut:
Pfarrer Koch und Pfarrer Fischer sind während ihrer Dienstzeit in Eger verstorben. Mein Vater wurde nach mehr als neunmonatiger Haft 1946 im Kreisgerichtsgefängnis in Eger vom tschechischen Gericht am 11. September 1946 freigesprochen und mit der Auflage entlassen, mit dem nächsten Vertreibungstransport Eger zu verlassen. Er ist am 3. Dezember 1949 an den Folgen der tschechischen Haft, von denen er sich nicht mehr erholt hat, in Neu-Berich in Hessen gestorben.
Überdenkt man diese Jahrzehnte, so kann man nur staunen über die Wunder, die die Kirche 140 Jahre und die evangelische Gemeinde fast 150 Jahre begleitet haben:
Nur mit finanzieller Hilfe des In- und Auslandes konnten die evangelische Gemeinde überhaupt gegründet und Kirche sowie Pfarr- und Schulhaus gebaut werden.
Ein vielleicht noch größeres Wunder ist es, dass diese Kirche in den letzen Kriegstagen 1945 nicht zerstört, sondern nur stark beschädigt wurde und bald wieder als Kirche benutzt werden konnte.
Die Übernahme des Kirchengebäudes erfolgte durch die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder nach Auflösung der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien durch Gesetz vom 6. Mai 1948, rückwirkend auf 4. Mai 1945. Sie hat die 40 Jahre kommunistischer Herrschaft als Kirche überdauert. Die Absicht, die Kirche als Lagerhalle für Reqisiten des nahegelegenen Theaters zu nutzen, konnte durch den hohen persönlichen Einsatz von Pfarrer Lubomir Libal verhindert werden. So konnte die Friedenskirche immer als Kirche genutzt werden und sie wurde, trotz der bescheidenen finanziellen Mittel der kleinen tschechischen evangelischen Gemeinde, im Gegensatz zu vielen anderen evangelischen Kirchen in der heutigen Tschechischen Republik, vor dem Verfall bewahrt.
Nach der politischen Wende 1989/1990 setzten sich die Wunder fort: Es entstand die Partnerschaft mit der evangelischen Friedenskirche in Bayreuth. Durch engagierte private Initiativen von Einzelpersonen und Organisationen konnte ein Großteil der Geld- und Sachmittel zur Verfügung gestellt werden, um die baulichen Schäden am Kirchturm zu beheben. Damit können - nach 40-jähriger Pause - die drei Glocken seit 24. Oktober 1993 wieder regelmäßig erklingen.
Ein weiteres Glied in der Kette der Wunder sind die regelmäßigen Treffen vertriebener deutscher ehemaliger Gemeindeglieder mit der heutigen tschechischen Gemeinde zu ihrem jährlichen Versöhnungsgottesdienst in der Friedenskirche. Viele vertriebene deutsche Gemeindeglieder haben so wieder in ihre Kirche zurückgefunden, in der sie getauft, konfirmiert und einzelne sogar getraut wurden.
Voraussichtlich am 12. September 2011 plant die Gemeinde der Friedenskirche einen Festgottesdienst anlässlich des 140. Jubiläums der Einweihung der Kirche. Die Gemeinde freut sich über jeden von diesseits und jenseits der deutsch-tschechischen Grenze, der an diesem Festgottesdienst teilnimmt, mitfeiert und sich mitfreut.
Die Friedenskirche einst und heute
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Archivbild: Arno¹ta Franke
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Foto: Pavel ©ebesta
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Gustav Fischer: Das Evangelium in Eger und im Egerlande
Hugo Gerstberger: Tagebuch 1914-1945
Heribert Sturm: Eger - Geschichte einer Reichsstadt
(Johanna Gerstberger, Ludwigsburg )
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