Walter Eibich (1912-1995)
Evangelisch-lutherische
Kirche - aus Not geboren
Mag. theol. Walter Eibich (1912-1995), war der letzte evangelische Pfarrer
in Roßbach (Landkreis Asch). Er gehörte zu den Mitbegründern der
Gemeinschaft evangelischer Sudetendeutscher (GES) und war langjähriger
Schriftleiter ihres Mitteilungsblattes "Glaube und Heimat". Sein Aufsatz
über die Geschichte der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen,
Mähren und Schlesien wurde erstmals anläßlich des 70.
Jahrestages der Gründung der DEKiBMS 1989 in den Mitteilungen der
Johannes-Mathesius-Gesellschaft veröffentlicht.
Er rekapituliert nicht nur die kurze Geschichte der deutschen evangelischen
Kirche in der neugegründeten Tschechoslowakei, sondern zeichnet auch den
Weg der evangelischen Vertriebenen und ihre Aktivitäten im Rahmen der
Johannes-Mathesius-Gesellschaft und der Gemeinschaft evangelischer
Sudetendeutscher nach und enthält darüberhinaus viele
persönliche Einblicke eines, der selbst dabeigewesen ist.
Siebzig Jahre sind für eine christliche Kirche
wahrlich keine lange Dauer - aber auch die Art der Entstehung der "Deutschen
Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien" war
außergewöhnlich. Ist sie doch erst im Jahr 1919 in der Christuskirche
von Turn in Böhmen von Vertretern evangelischer Gemeinden gegründet
worden. Nicht von oben also, etwa von Fürsten oder Regierungen, sondern
von unten, von der Basis, von gläubigen Gemeinden.
Dass es überhaupt zu ihrer Gründung kam hängt ganz unmittelbar
mit dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie in mehrere
National- bzw. Nationalitätenstaaten zusammen.
Da sie als Kirche für die evangelischen Deutschen in Böhmen,
Mähren und Schlesien gegründet worden ist, musste sie das Schicksal
der Vertreibung und den Verlust aller Kirchen, Pfarrhäuser, Schulen und
Einrichtungen der Inneren Mission mit allen anderen Sudetendeutschen teilen.
Nach dem Seelenstand von 31. Dezember 1937 umfasste sie 71 Pfarrgemeinen mit 32
Zweiggemeinden und 134 Predigtstellen mit insgesamt 141 823 Seelen.
Kirche wider Willen
Nach Gründung der ersten tschechoslowakischen Republik waren die Ascher
Superintendenz, die Westböhmische Superintendenz und das Mährische
Seniorat in Wien abgetrennt, und das sich die Tschechen nun in eigenen
nationalen Kirchen zu sammeln begannen blieb den deutschen Gliedern der
ehemaligen Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich
gar nichts anderes übrig, als sich in einer eigenen Kirche zusammen zu
schließen. Dies war unter den damaligen Umständen gar nicht so
einfach. Senior Hickmann aus Dux und Dr. von Stein aus Trautenau hatten die
Grundlage für eine Verfassung vorbereitet. Seitens eines Seniors wurde
dagegen eingewendet: "Was nützt es uns wenn wir hier Beschlüsse
fassen, wir wissen ja nicht, was Prag dazu sagt." Kirchenpräsident
Wehrenfennig - damals war er noch Senior -antwortete darauf: "Wir müssen
doch die Grundlagen für unsere Kirchen legen, und wenn uns später
Einwände gemacht werden, können wir verhandeln und haben doch nach
unseren Wünschen einen Anfang gemacht." Daraufhin wurde weiter getagt und
schließlich ein Dreierausschuss als vorläufige Kirchenleitung
gewährt.
Wie aber sollte diese Kirchenleitung funktionieren? Ohne jegliche Gelder, nicht
einmal die mindeste Büroausstattung. Da kam ein ehemaliger, in den USA
lebender Gablonzer mit der namhaften Spende von 18.000 Kè zu Hilfe. Es war
Professor Hübner von der Nebraska-Synode, den Senior Wehrenfennig
angeschrieben hatte.. Von diesem Geld wurde sofort eine Schreibmaschine und ein
Aktenschrank angeschafft und Robert Vorbach als Sekretär angestellt. Auf
diese Weise konnten die ersten Erlässe ausgesandt und damit die Verbindung
zwischen der vorläufigen Kirchenleitung und den einzelnen Gemeinden
hergestellt werden.
Da dieses Provisorium aber auf die Dauer nicht genügen konnte, berief
Senior Wehrenfennig alle Senioren zu einer Sitzung nach Reichenberg ein, wo man
über vorbereitende Schritte zu einem gründenden Kirchentag beriet,
welche dann auch am 25. Oktober 1919 in der Christuskirche Turn stattfand. Der
Vorsitzende eröffnete die Tagung mit den Worten: "Der Not gehorchend,
nicht dem eignen Triebe, sind wir zusammen gekommen, um unsere Haus zu
bauen."
Bei dem Vorsitzenden der vorläufigen Kirchenleitung liefen nun laufend
Hilferufe von Pfarrern, Pfarrwitwen und Gemeinden ein; denn es fehlte
überall an Geld und oft an dem nötigsten Lebensunterhalt.
Im Jahr 1920 wurde dann der verfassungsgebende Kirchentag. Ebenfalls nach Turn,
einberufen, Auf ihm ging es vor allem um die Präambel der
Kirchenverfassung, welche von Pfarrer und Senior Gustav Fischer aus Eger
formuliert worden war und folgendermaßen lautete:
Die Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien
steht auf dem alleinigen Grunde der Heiligen Schrift und sie hält sich in
ihrem Leben an die Grundsätze der Reformation und in ihrer Lehre an das
evangelisch-lutherische Bekenntnis.
Senior Wehrenfennig berichtet in dem Heft "Mein Leben und Wirken"
über diese historische Stunde wie folgt: "Es war ein wunderbares Erlebnis,
als nach heißem Kampf die Annahme erfolgte und ich in die Versammlung
rief: "Ich bekenne mich zu dieser meiner Kirche in ihrem Sosein vor dem In- und
Auslande."
Auf diese Wort hin strömten die Versammelten - bis auf zwei - zum Vorsitz
hin und reichen Senior Wehrenfennig die Hand. Etwa zehn Minuten später war
die Wahl des Kirchenpräsidenten auf Lebenszeit beschlossen. Dies
hätte eigentlich den Titel "Bischof" bedingt, aber dafür ließ
sich keine Mehrheit der Synodalen gewinnen. Der älteste Senior, Dr. Martin
Haase, nahm die Angelobung vor. In großer Einmütigkeit war so der
Grund der Kirche gelegt, und die Einmütigkeit blieb auch gottlob stets
erhalten.
Einheit in der Vielfalt
Diese im Jahr 1919 gegründete lutherische Kirche nahm nun die
unterschiedlichsten Glaubensrichtungen und geschichtlich gewachsene
Glaubensformen in sich auf.
Zunächst waren des die wenigen, ausgesprochenen "Toleranzgemeinden",
welche nach dem Toleranzedikt von Kaiser Josef II. im Jahr 1781 entstanden
waren, wie Haber und Hermannnseifen in Böhmen, Zauchtel in Mähren,
Hinersdorf und Kleinbressel in Schlesien.
Ferner die Großstadtgemeinden von Prag und Brünn und die Kurgemeinden
von Karlsbad, Franzensbad und Marienbad, sowie die Grenzbahnhofsgemeinden
Bodenbach und Eger mit ihren zahlreichen reichsdeutschen Beamten.
Schließlich auch die durch Gewerbetreibende und Industriebegründer
aus den benachbarten, überwiegend evangelischen Ländern Sachsen und
Schlesien vermehrte Zahl an Gläubigen, welche vor allem das evangelische
Schulwesen im Interesse ihrer eigenen Kinder stark förderten. Dies betraf
besonders die Gemeinden in Reichenberg, Gablonz/N., Aussig, Komotau, Pilsen,
Mährisch-Ostrau u.a.
Den größten Zustrom neuer Gemeindeglieder führte aber seit dem
Jahre 1897 die sogenannte Los-von-Rom-Bewegung Georg Ritter von Schönerers
zu. Diese brachte etwa 40 000 Seelen an Zuwachs und mit ihnen die große
Aufgabe, jene, die meist in erster Linie aus nationalen Gründen in diese
"deutsche Kirche" eingetreten waren, zu wirklichen evangelischen Christen zu
machen. Insgesamt traten von 1919 bis 1938 in die Evangelische Kirche 50 725
Personen ein und nur 12 777 aus ihr aus.
Kirchenpräsident D. Erich Wehrenfennig - er starb am 13.04.1968 und liegt
in Feuchtwangen begraben - hat einmal diese Aufgabe mit folgenden Worten
beschrieben
Aufgabe unserer Kirche ist es, das Evangelium festzuhalten und zu bezeugen
in doppelter Diaspora: als evangelische und deutsche Minderheit im Staate. Und
aus dieser Kraftquelle die Weisheit zu finden, ihren Weg zu gehen, mitten unter
der großen Mehrheit katholischer Volksgenossen und den anders nationalen
Kirchen dieses Landes.
Durch ihre Entstehung und Zusammensetzung bedingt, hatte die "Deutsche
Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien" drei ganz
besondere Merkmale:
1. Sie war weder von Fürsten noch von Regierungen, also nicht von "oben"
her gegründet, sondern von den Gläubigen und ihren Gemeinden, mithin
also von "unten", von der Basis und verfügte daher auch über eine
sehr lebendige, verantwortungsbewusste Laienschaft.
2. Durch den Auszug der Tschechen aus der gemeinsamen Evangelischen Kirche in
Österreich war sie in nationaler Hinsicht einheitlich deutsch, was selbst
der Staat der Tschechen und Slowaken mit der Akzeptierung ihres Namens
anerkannte. Freilich, der Anschluss der etwa 40 000 Seelen zählenden
Lutheraner in der Slowakei wurde nicht gestattet.
3. Ihre Pfarrer kamen meist aus den Nachbarländern Österreich, Bayern
und vor allem Sachsen und Schlesien und brachten meist ihre heimische Liturgie,
Theologie und kirchliches Brauchtum mit, was zu einer großen
Mannigfaltigkeit der Gemeinden führte. In dieser Hinsicht gewann die von
Pfarrer Hans Mrozek in Böhmisch Kamnitz geleitete "Singbewegung" eine
für die liturgische Einheitlichkeit der Kirche zunehmende Bedeutung. Die
meisten dieser Pfarrer fanden den Weg zu den Herzen ihrer Gläubigen gerade
dadurch, dass sie nicht so sehr vom intellektuellen, theologischen Wissen als
vielmehr vom Gefühl und Herzen her sprachen.
Das beste Beispiel in dieser Hinsicht gab der erste und einzige, gewählte
Kirchenpräsident D. Erich Wehrenfennig - einem bekannten
österreichischen Pfarrergeschlecht entstammend - dessen von Herzen
kommende, natürliche, mit vielen Beispielen aus Bibel und Gesangbuch
bereicherte Predigtweise in allen Kreisen einen guten Anklang fand. Ja, er galt
sehr bald in der ganzen europäischen Christenheit und bei den Lutheranern
Amerikas als typischer Vertreter einer zwar armen, aber dennoch sehr lebendigen
und wachsenden Kirche.
Auch sein Vetter, der Turner Pfarrer Gottfried Wehrenfennig, war neben seinem
Pfarramt lange Jahre auch Obmann des Schutzverbandes "Bund der Deutschen" und
als solcher - besonders auch als Redner - weit über die Grenzen seiner
Kirche hinaus bekannt und geschätzt.
Vielfältiges Leben
Die neue Kirche wurde in sechs Kirchenkreise gegliedert: Asch, Westböhmen,
Mittelböhmen, Mähren und Schlesien. Sie unterstanden dem
Präsidenten und seinem Stellvertreter, dem bisherigen Superintendenten der
westböhmischen Superindentur D. Gummi, Aussig, und dem westböhmischen
Senioratskurator Marschner, Falkenau, bestehenden Kirchenleitung, welche
später um den Ascher Juristen Dr. von Stein und den Troppauer Landesrat
Stadler erweitert wurde.
Oberste Instanz war der Kirchentag (Synode), welcher aber im Unterschied zu
anderen Landeskirchen nicht alljährlich, sondern nur alle sechs Jahre .-
wegen der großen Entfernung - tagte.
Der 3. Kirchentag (1926) wurde der "soziale Kirchentag" genannt, weil er sich
mit der Organisation der Inneren Mission befasste. Dabei wurde der "Hauptverein
für christliche Liebestätigkeit und Pflege evangelischen Lebens"
gegründet, welcher als Dachorganisation der verschiedenen Liebeswerke
dienen sollte, die inzwischen von einzelnen Pfarrern gegründet worden
waren, wie z.B. der "Sonnenhof" im Habsteiner Moor von Pfarrer Lic. Waitkat als
segensreiche Anstalt für schwer erziehbare Burschen. Das Gegenstück
für Mädchen war von Pfarrer Reinhard in Jechnitz als "Heimat für
Heimatlose" gegründet worden. Zu dem Waisenhaus der Gesamtkirche in der
kleinen Toleranzgemeinde Haber traten die von einzelnen Pfarrer
gegründeten Waisenhäuser in Hermannseifen, Görkau und
Deutsch-Hoschowitz hinzu.
Die beiden Diakonissenmutterhäuser in Aussig-Doppitz und Prag-Zöptau
waren zunächst als Außenstationen der österreichischen
Diakonissenhäuser Gallneukirchen und Graz entstanden und wurden bald
selbständig. Das Prager Diakonissenhaus konnte nach Erwerb eines
größeren Komplexes in Zöptau bei Mährisch-Schönberg
nicht nur sein Mutterhaus, sondern auch ein Säuglingsheim, eine
Haushaltungsschule sowie ein Alten- und Siechenheim dort unterbringen. Das
Prager Diakonissenhaus führte auch ein Sanatorium unter der Leitung des
Chefarztes Dr. Veit, welcher auch der 1. Obmann des Hauptvereins für
Liebestätigkeit wurde.
Alle diese Liebeswerke wurden trotz zäher Verhandlungen mit dem
Stillhaltekommissar in Reichenberg nach dem Anschluss 1938 verstaatlicht.
Der 4. Kirchentag fand im April 1933 im neuen prachtvollen Rathaus in Gablonz
statt. Er erhielt die Bezeichnung "ordnender Kirchentag", weil er eine Reihe
von Ordnungen für das kirchliche Leben beschloss. So die kirchliche
Lebensordnung, eine einheitliche Kirchensteuerverordnung und die einheitliche
Ordnung des Pensionswesens. Die Einführung eines einheitlichen
Kirchengesangbuchs stieß besonders bei den Ascher Vertretern - sie hatten
schon ein eigenes Gesangbuch - auf Widerstand.
Auf dem 5. und letzten Kirchentag im August 1939 wurde die Eingliederung in die
"Deutsche Evangelische Kirche" vollzogen, die auch einen
geschäftsführenden Konsistorialrat entsandte, der mit dem
Kirchenpräsidenten und dem Kirchenwanwalt Dr. Jelen, Trautenau, das
"Landeskirchenamt" bildete,
Die Zahl der Mitglieder der Kirchenleitung wurde auf acht erhöht: drei
geistliche Oberkirchenräte (Kirchenrat Gerstberger, Eger, Kirchenrat
Knorek, Trautenau und Pfarrer Hugo Piesch, Prag) und drei weltliche
Oberkirchenräte (Graf Albrecht von Zedwitz, Neuberg, Oberlandesrat
Stadler, Troppau, Vorsitzender des Kirchentags, und Fabrikant Brass,
Hohenstadt) wurden neu gewählt.
Eine der Hauptsorgen der Kirche blieb bis zur Vertreibung ihre Geldnot. Sie
veranlasste den Kirchenpräsidenten zu ununterbrochenen Reisen zu den
zuständigen Ministerien in Prag und zu den Gustav-Adolf-Hauptvereinsfesten
im In- und Ausland, besonders in Deutschland, und zeitweise auch zur Mitarbeit
im Centralvorstand der evangelischen Gustav-Adolf-Stiftung in Leipzig. Wie wir
aus den uns vorliegenden Tagebuchaufzeichnungen des Kirchenpräsidenten
wissen, wurde er nicht müde, für den Bau neuer Kirchen und
Pfarrhäuser und sonstige kirchliche Bauvorhaben die brüderliche Hilfe
der besser gestellten Kirchen und Vereine - auch des Evangelischen Bundes - zu
erbitten.
Die große Enttäuschung
Nach dem anfänglich von der überwältigenden Mehrheit der
Bevölkerung freudig begrüßten Anschluss des Sudetenlandes an das
Deutsche Reich setzte bald eine starke Ernüchterung ein.
Die Männer strömten in Massen in die Parteiformationen, wo sie gegen
die Kirche beeinflusst wurden. "Ein SA-Mann geht in keine Kirche," hieß es
da, und die SS verlangte gar von ihren Mitgliedern den vollzogenen
Kirchenaustritt. Alle freien und selbständigen Vereinigungen,
einschließlich der Werke der Inneren Mission, wurden entweder enteignet
oder verboten. Im Rausch der ersten Begeisterung und unter dem Trommelfeuer der
Parteipropaganda traten viele aus der Kirche aus, darunter sogar einige
Pfarrer.
Dann kam der Krieg. Viele der jüngeren Pfarrer wurden einberufen, manche
fielen an der Front. Die Daheimgebliebenen hatten dadurch meist ein
Übermaß an Arbeit zu leisten, da viele von ihnen gleichzeitig zwei
oder drei Pfarrstellen versorgen mussten.
Kurz vor Kriegsende ergoss sich dann noch ein ungeheurer Flüchtlingsstrom
aus den Ostgebieten über unsere Gemeinden. Aber gerade in diesen Monaten
wurde der Dienst der Kirche besonders wichtig und groß, wie kaum zuvor.
Vertrieben - dennoch treu geblieben
Mit dem verlorenen Krieg und dem Zusammenbruch des Dritten Reiches ergoss sich
eine furchtbare und hemmungslose Welle des Hasses und der Vergeltung über
die wehrlosen Sudetendeutschen, die nun für alle Rechtsbrüche und
Demütigungen der Tschechen seitens des Hitlerregimes verantwortlich
gemacht wurden.
Im Jahr 1945 gab es zunächst wilde, unorganisierte Austreibungen über
die Staatsgrenze mit zahlreichen Todesopfern, besonders in Saaz, Prag, Aussig
und Brünn.
Schließlich hatten die Alliierten 1946 dann einigermaßen menschliche
und geordnete Ausweisungstransporte durchgesetzt und so fand die
Entvölkerung des sudetendeutschen Siedlungsgebietes planmäßig
statt.
Staatspräsident Bene¹ erließ die entsprechenden Dekrete, nach
denen der gesamte deutsche Besitz an Grund und Boden und allem, was darauf
stand, als Eigentum des tschechoslowakischen Staates erklärt wurde. Mit
Dekret vom 06.05.1948 erklärte er auch die Deutsche Evangelische Kirche in
Böhmen, Mähren und Schlesien für aufgelöst, als ob man
christliche Kirchen durch staatliche Verordnungen auflösen könne und
dürfe. Das Besitztum der Kirche wurde den konfessionsverwandten
tschechischen Kirchen übergeben. Es waren dies, da es keine
tschechisch-lutherische Kirche gab, die tschechisch-brüderische Kirche und
die tschechoslowakische Nationalkirche.
Die Vertreter der Brüderkirche benahmen sich im allgemeinen
brüderlich und versuchten unter den obwaltenden Umständen das
Gemeindeleben, auch für die deutschen Gemeindeglieder, aufrecht zu
erhalten, so lange sie noch nicht vertrieben waren. Wie viele ihrer Landsleute
wurden auch führende Männer der Evangelischen Kirche in Haft
genommen. So am 03.02.1946 Kirchenpräsident D. Erich Wehrenfennig und die
Oberkirchenräte Gerstberger und Knorek, Oberkirchenratsstellvertreter i.R.
Albin Drechsler und Pfarrer Strasser, weil man ihnen ihren in einem Buche
bekundete Volkstreue als hochverräterische Gesinnung vorwarf. 1)
Weiter wurden u.a. Superintendent Zahradnik, Teschen, Pfarrer Hofmann,
Freudental und Pfarrer Josef Moj, Graslitz aus ähnlichen Gründen
verhaftet und mit mehreren Jahren Gefängnis und Zuchthaus bestraft.
Letzterer wurde sogar zehn Jahre festgehalten und dabei durch sämtliche
Strafanstalten und Arbeitslager, einschließlich des Uranerzabbaus in St.
Joachimsthal geschleift. Ihre Freilassung verdankten die meistem wiederholten
Bemühungen deutscher und anderer Kirchenführer. So haben viele erlebt
und durchlitten, was der Apostel Paulus in 2. Korinther 6, 9 und 10
beschreibt:
Als die Unbekannten und doch bekannt, als die Sterbenden und siehe, wir
leben; als die Gezüchtigten und doch nicht ertötet; als die
Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, die doch viele reich
machen; als die nichts innehaben und doch alles haben.
Zu neuen Ufern
Die Hauptaufnahmeländer für die vertriebenen Sudetendeutschen waren
Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Infolge der großen
Bombenschäden in den Städten erfolgte die Unterbringung meist auf dem
Lande, wo es für die überwiegend industriell und gewerblich
tätigen Sudetendeutschen kaum eine Beschäftigung gab. So mussten
viele in der ersten Zeit fast ausschließlich von Spenden und den
ausländischen Hilfssendungen (Carepakete) leben, wie sie das Evangelische
Hilfswerk verteilte.
Besonders nachteilig für die Begründung neuer Existenzen war auch die
durch die völlig willkürlich vorgenommenen Ausweisungen bewirkte
Zerreißung und Atomisierung aller natürlichen Bindungen und
Verbindungen zwischen Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn; aber
auch von Unternehmern und Arbeitern, Fachkräften und Handwerkern.
In diesem Zusammenhang erwuchs den mitvertriebenen Pfarrern eine ganz besonders
große und wichtige Aufgabe: nämlich die der
Wiederzusammenführung, was durch regionale Heimattreffen und
Gottesdienste, durch Rundbriefe und Heimatblätter und Anlage von
Adressenlisten geschah. Diese Tätigkeiten mussten allerdings meist
zusätzlich zu den neu übernommenen pfarramtlichen Diensten
geschehen.
Sehr bald nach der Vertreibung bildeten sich die sog. "Hilfskomitees" für
die verschiedenen Landsmannschaften bzw. Kirchen aus dem Osten. Vorsitzender
des "Hilfskomitees für die evangelischen Sudetendeutschen" wurde Pfarrer
Robert Janik aus Neudeck, welcher bald 6 500 Anschriften, nach Heimat- und
neuer Anschrift geordnet, beisammen hatte und von August 1947 mit einer Beilage
zum "Evangelischen Gemeindeblatt aus dem Kirchenbezirk Urach" zu den
Vertriebenen sprechen und weitere Anschriften sammeln konnte. Die
Währungsreform machte die Fortsetzung dieser Arbeit jedoch
unmöglich.
Während verschiedenen Pfarrer den Kontakt mit ihren ehemaligen
Gemeindegliedern pflegten, konnte der Verfasser zu dem von ihm herausgegebenen
"Roßbacher Heimatbote" - der sich bereits finanziell trug - ein eigenes
Kirchenblatt "Glaube und Heimat" genannt, als Beilage drucken lassen und zum
Teil auch in entsprechender Anzahl einigen Pfarrern für die Gemeinde zur
Verfügung stellen (z.B. für Prag und Gablonz). Das Blatt wurde vom
Verfasser bis zu seinem Wechsel in die österreichische Kirche durch 16
Jahre herausgegeben und hat wesentlich dazu beigetragen auch die übrigen
Initiativen, wie Tagungen, Ausstellungen , Gemeindegeschichten usw. zu
ermöglichen.
Ein entscheidender Schritt in der Vertriebenenarbeit der Kirche war die 1953
erfolgte Trennung von "Hilfskomitee" für die karitative Betreuung und die
"Gemeinschaft Evangelischer Sudetendeutscher e.V." für die
volksmissionarische und theologische Arbeit.
Waren es bis zur Aufhebung des Koalitionsverbotes fast ausschließlich die
Kirchen bzw. kirchlichen Institutionen (Hilfswerk, Innere Mission), die sich
mit der Bewältigung des Vertriebenenproblems befasst hatten, so entstanden
nun sehr bald die entsprechenden landsmannschaftlichen bzw. politischen
Vereinigungen, wie der "Bund der Vertriebenen - BvD" und die einzelnen
Landsmannschaften. Innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft meldeten sich
dann auch die verschiedenen "Gesinnungsgemeinschaften" zu Wort wie die
"Ackermanngemeinde" für die Katholiken, die "Seligergemeinde" für die
Sozialdemokraten und der "Witikobund" für die Deutsch-Völkischen. Zu
ihnen gesellte sich dann auch die "Gemeinschaft Evangelischer Sudetendeutscher
e.V." für die Protestanten.
Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wollten wir nun hier all die
Initiativen der "Gemeinschaft", die Tagungsorte und -themen, die Referenten
usw. nennen. Wir müssen den interessierten Leser daher bitten, dies in den
unter "Quellenangaben" zitierten Schriften, einschließlich aller
Jahrgänge der Zeitschrift "Glaube und Heimat" nachzulesen.
Erwähnt seien in diesem Zusammenhang lediglich jene Männer, die die
Arbeit vorangetragen haben und sich in ganz besonderer Weise um die Erhaltung
und Weitergabe des heimatlichen Erbes bemüht haben.
Das waren neben dem Kirchenpräsidenten D. Erich Wehrenfennig, der seine
Pfarrerschaft nach seiner Übersiedlung von der DDR nach Feuchtwangen
mehrmals um sich gesammelt hat, vor allem Dr. Dr. Ernst Lehmann, Friedland, der
sich vor allem im Rahmen des Ostkirchenausschusses sehr stark für die
Ostkunde im Religionsunterricht eingesetzt hat, ferner Oberkirchenrat Hugo
Piesch, Prag, welcher leider durch einen fast harmlosen Unfall viel zu
früh von uns gehen musste, und später war es dann Pfarrer Erik
Turnwald, Prag, der nicht nur einige Kirchentage initiierte, sondern auch viele
andere Projekte verwirklichte, über die noch in einem besonderen Absatz zu
reden sein wird.
Es seien aber auch jene Glieder unserer Kirche nicht vergessen, die als
Sprecher der Landsmannschaft allen ihren Landsleuten gedient haben. Dies war
als erster Sprecher überhaupt Dr. Lodgman von Auen und nach ihm
Bundesverkehrsminister Dr. Ing. Seebohm. Auch der zeitweilige
Hauptgeschäftsführer des ZVD Dr. Dedera war ein evangelischer Christ,
der wesentlich zum Zustandekommen der "Charta der Vertriebenen" beigetragen
hat.
Kräftige Lebenszeichen
So lange der geistliche Oberhirte der Kirche, Kirchenpräsident D. Erich
Wehrenfennig, noch lebte - er starb 96-jährig 1968 - hat er,
unterstützt von Pfarrer Eric Turnwald, welcher einst hauptberuflich in der
kirchlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig gewesen ist, und
einigen heimattreuen Pfarrer die weitere Existenz der "Deutschen Evangelischen
Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien" unter Beweis gestellt .
Besonders eindringlich durch die Veröffentlichung eines vom "Institut
für Reformations- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder"
herausgegebenen Memorandums zur Lage der Deutschen Evangelischen Kirche in
Böhmen, Mähren und Schlesien (in der Zerstreuung) in dem es unter
Absatz V/23 heißt:
Die Sudetendeutsche Kirche hat sich nie als eine Exilkirche angesehen, sondern
als "Kirche in der Zerstreuung".
Die Sudetendeutsche Kirche hat sich nie aufgelöst. Ihr
Kirchenpräsident hat niemals sein Amt niedergelegt. Die sudetendeutschen
Pfarrer betrachten sich noch heute an ihr einstmals gegebenes
Ordinationsgelübde gebunden, von dem sie niemand entbinden kann. Die
Gemeindeglieder verstehen sich heute noch als Glieder der früheren
Heimatgemeinden, unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zu ihren neuen
Kirchengemeinen.
Und Abs. V/24
Die Sudetendeutsche Kirche hat immer größten Wert darauf gelegt,
dass sich ihre Glieder in die Gemeinden einfügen, in denen sie nach dem
Krieg wohnen. Unbeschadet dessen versteht sich die Sudetendeutsche Kirche als
Glaubensgemeinschaft eigener Tradition, deren Glieder sowohl ihr wie den
Landeskirchen in gleicher Treue angehören können.
Von noch größerer Öffentlichkeitswirkung waren die drei
Kirchentage, von denen die ersten beiden 1959 und 1960 in Kassel, dem Sitz der
Patenkirche von Kurhessen-Waldeck stattgefunden haben.
Der erste Kirchentag, welcher vom 11. bis 13. September 1959 stattfand, stand
ganz im Zeichen der Patenschaft, über die der Landespfarrer der Inneren
Mission, Erich
Freudenstein, sehr ausführlich referierte.
Zu einem bewegenden, geistlichen Höhepunkt kam es auf diesem Kirchentag
durch das wechselseitige Schuldbekenntnis mit der Bitte um Vergebung zwischen
Tschechen und Deutschen
Pøemysl Pitter erklärte im Namen der Union der tschechoslowakischen
Protestanten in den USA, Kanada und anderen freien Ländern
"Ich spreche für meine tschechischen Glaubensbrüder, und da
fühle ich mich verpflichtet, unsere Schuld und unser Versagen zu bekennen.
Wir haben geschwiegen, als Ihr aus Euerer Heimat vertrieben wurdet, wir haben
nicht laut protestiert, als viele unserer deutschen Landsleute misshandelt
wurden, wir haben nicht genug geholfen, wo Hilfe dringend notwendig war.
Menschliche Furcht ließ christlichen Mut nicht aufkommen. Das ist die
Sünde, für die wir Tschechen nun büßen müssen und die
uns Gott nicht vergeben wird, ehe wir nicht aufrichtig und reumütig
gestehen und ehe wir uns nicht bemühen, mit Gottes Hilfe gut zu machen,
was sich gut machen lässt."
Der Kirchenpräsident antwortet darauf
"Als die deutschen Kirchen nach diesem Kriege im Jahre 1946 in Stuttgart das
Bekenntnis ihrer Schuld gegenüber den Ereignissen der letzten Jahre und
Jahrzehnte aussprachen, da haben wir uns als Kirche mit dieser Erklärung
solidarisch gewusst.
Die Erklärung, Bruder Pitter, ist eine erste Antwort von tschechischer
Seite auf dieses unser Schuldbekenntnis. Wir wissen aus der Lehre unserer
Kirche und gemäß dem Wort des Herrn Jesu Christi, dass das Bekenntnis
der Schuld die Voraussetzung zur Vergebung ist; wir wollen einander vergeben,
was vergangen ist, wie auch Gott uns vergeben möchte unsere tägliche
Schuld.
Nur aus dem Geiste der Vergebung werden wir zusammenkommen. Nur aus der
Vergebung kann echter Friede erwachsen.
Ich danke Ihnen, Bruder Pitter, für Ihr mutiges und christliches Wort.
Der Herr segne Sie und Ihre Volks- und Glaubensgenossen!"
Der zweite Kirchentag fand vom 14. - 16. Oktober 1960 ebenfalls in
Kassel statt und zwar in Verbindung mit der "Evangelischen Woche".
Den Eröffnungsvortrag hielt Professor D. Dr. Erwin Schneider, Wien,
über das Thema "Warum und wozu Johannes - Mathesius - Gesellschaft?" Einen
weiteren tiefschürfenden Vortrag hielt Professor Dr. Wilhelm von
Weizsäcker, Heidelberg, über den "Majestätsbrief Kaiser Rudolf
II". Die Schlusskundgebung - sowohl der Evangelischen Woche wie des
sudetendeutschen Kirchentages - wurde durch den Vortrag von Landesbischof
Dr. Jaenicke, Magdeburg, mit dem Thema gekrönt: "Kirche Jesus Christi in
Deutschland und bis an die Enden der Erde".
Der dritte Kirchentag fand in der Gemeinde Pfarrer Turnwalds in Verbindung mit
einem Heimat- und Kirchenfest in Kirnbach statt und stand ganz im Zeichen eines
frohen Dankfestes für die durch Pfarrer Turnwald wiedererweckte Tradition
des schwarzwälderischen Brauchtums und vor allem der Tracht des
Bollenhutestragens, welcher der Pfarrer mit der Gründung der "Kirnbacher
Kurrende" verbunden hatte. Eine Egerländer Volkstanzgruppe erinnerte aber
auch an sudetendeutsches Brauchtum.
Dieser Kirchentag fand vom 01. bis 03. Juli 1966 statt und ist ohne Fortsetzung
geblieben.
Erwähnenswert ist auch die Rückgabe des aus dem Jahre 1908
stammenden, goldenen Amtkreuzes des Präsidenten (es wurde im sät.
nach seiner Wahl zum Kirchenpräsidenten von Senior Gummi, Aussig,
geschenkt) seitens der tschechisch-brüderischen Kirche von Bischof
Dibelius in Feuchtwangen.
Anlässlich seines 90. Geburtstages im Jahr 1963 erschien auch eine
Festschrift in Buchform für ihn und über ihn, herausgegeben im
Auftrag der Johannes-Mathesius-Gesellschaft von Pfarrer Erik Turnwald mit dem
Titel "Heimat und Kirche".
Bewahrung des Erbes und seine Fruchtbarmachung
Wie wir schon erwähnten, war es in den ersten 25 Jahren nach der
Vertreibung vor allem Pfarrer Dr. Dr. Ernst Lehmann, Friedland, welcher sich in
zahlreichen Artikeln in "Glaube und Heimat" (nach dem Abgang Pfarrer Eichbichs
nach Österreich übernahm er auch die Redaktion von 1969 bis 1978) und
durch Mitarbeit in den ostkirchlichen Gremien und öffentlichen Ämtern
besonders für die Bewahrung des ostkirchlichen Erbes im
Religionsunterricht eingesetzt hat. Später wechselte allmählich die
Initiative und Hauptverantwortung für das heimatkirchliche Erbe auf die
Person des aus Prag stammenden, jungen Pfarrers Erik Turnwald, welcher erst
nach der Ausweisung zum Pfarrer ordiniert worden war.
Seinen starken kirchenhistorischen Interessen folgend, sammelte und kaufte er
fleißig Archivalien, kirchliche Akten, Autographien, Licht- und Glasbilder
aus dem Sudetenland, Grafiken, Münzen und Siegel (im vergangenen Jahr hat
das Collegium carolinum seine Sammlung sudetendeutscher Städtesiegel mit
einem vorbildlichen Katalog ausgestellt). Anlässlich des Sudetendeutschen
Tages fand sie große Beachtung und Anerkennung.
In seiner jetzt fast 10.000 Bände zählenden Bibliothek in Bad
Rappenau befinden sich auch originale Autographen des 16. und 17. Jahrhunderts,
sowie handgeschriebene Chroniken und Originaldrucke aus dem 16. Jahrhundert.
Ausgehend von der als Verpflichtung empfundenen Aufgabe, in einem Archiv die
Quellen zu einer deutsch-böhmischen Reformationsgeschichte zu sammeln, ist
in seinem Haus in Bad Rappenau eine Arbeitsstätte entstanden, die weit
über den archivarischen Rahmen hinaus in der Lage ist, die Unterlagen
für ein Gespräch oder Forschungen über die "Böhmischen
Länder" zu versachlichen.
Besonders hervorgehoben werden muss die "Hussitica-Abteilung" zur Geschichte
des 15. Jahrhunderts, die wohl die größte Sammlung dieser Art
außerhalb der Tschechoslowakei sein dürfte. Eine eigene
Luthersammlung zur Thematik "Luther und Böhmen" ist durch den Ankauf einer
Luthersammlung stark erweitert worden. Vollständigkeit wird auch erstrebt
in der Beschaffung von Materialien zu Johannes Mathesius und Nikolaus
Hermann.
Eine eigene Abteilung "Gemeindegeschichte" umfasst die Literatur zu den
Gemeinden der ehemaligen Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen,
Mähren und Schlesien.
Erst im Jahr 1965 konnte das inzwischen weiter ausgebaute Archiv durch
Kirchenpräsident D. Erich Wehrenfennig in ein Institut umgewandelt werden,
dessen Leitung Herrn Pfarrer Erik Turnwald als Direktor übertragen wurde.
Dies war vor allem deshalb möglich geworden, weil die beiden Patenkirchen
von Kurhessen-Waldeck und Lippe, sowie die , Badische Landeskirche gemeinsam
mit staatlichen Stellen die finanzielle Sicherung des Instituts zeitweilig
übernommen hatten.
Dieses Institut, dessen genaue Bezeichnung "Institut für die
Reformationsgeschichte der Böhmischen Länder" ist, stellt die
erforderlichen Unterlagen für eine wissenschaftliche Bearbeitung des im
Titel genannten Themenkreises bereit, da es weder eine kirchliche Stelle, noch
die wissenschaftlichen Arbeitsstellen der Sudetendeutschen (wie etwa das
Collegium carolinum) noch auch ein Universitätsinstitut gibt, die sich in
ausreichendem Maße mit dieser Thematik befassen.
Schon acht Jahre vor der Gründung des Instituts, also im Jahr 1957, war es
durch die Initiative Pfarrer Turnwalds zur Gründung der
"Johannes-Mathesius-Gesellschaft" gekommen und zwar mit einer bundesdeutschen
und mit einer österreichischen Sektion.
Der erste Präsident der Gesellschaft und gleichzeitig Vorsitzender der
österreichischen Sektion war Universitätsprofessor Dr. Erwin
Schneider. Wien, und Vorsitzender der deutschen Sektion
Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Weizsäcker, Heidelberg. Als
Geschäftsführer fungierte Pfarrer Turnwald.
Die wissenschaftliche Wahrung und Pflege des geistigen und geistlichen Erbes
der Reformation in Böhmen, Mähren und Schlesien ist der Zweck der
Gesellschaft, zu dessen Durchführung sie sich des Instituts bedient.
Sie veranstaltet fallweise Arbeitssitzungen sowie Ausstellungen, Bucheditionen
und jeweils eine größere Jahrestagung, auf der entsprechende
Fachleute zu den interessierenden Themen sprechen.
Auch zeichnet sie um die Förderung des deutsch-böhmischen
Protestantismus verdiente Wissenschaftler und Mitarbeiter durch die Verleihung
der "Johannes-Mathesius-Medaille" aus. Inzwischen sind schon dreißig
solcher Auszeichnungen ausgesprochen worden.
Seit dem Jahr 1960 erscheint als Mitteilungsorgan der Gesellschaft die
Halbjahresschrift "Erbe und Auftrag" im Johannes-Mathesius-Verlag, den Pfarrer
Turnwald begründet hat.
Im Jahr 1976 folgte eine Protestantische Kulturzeitschrift "Mathesiana"
genannt, welche als Vierteljahreszeitschrift sowohl über die
Johannes-Mathesisus-Gesellschaft als auch über die Aktivitäten der
"Gemeinschaft evangelischer Sudetendeutscher e.V." berichtet und in einem
allgemeinen Teil Stellungnahmen zu besonders aktuellen Fragen und Problemen
bringt.
Nachsatz
Wir haben in dem vorstehenden Artikel eine möglichst umfassende und
vollständige Darstellung der "Deutschen Evangelischen Kirche in
Böhmen, Mähren und Schlesien" und ihrer bis in die Gegenwart
reichenden Aktivitäten gebracht, weil wir der Meinung sind, dass es in
einer Zeit, da sich Europa wieder zu einer Einheit formiert, und da man auch im
kommunistischen Lager immer mehr erkennt und erkennen muss, dass zum wahren
Menschsein nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch seine religiöse und
volkliche Bestimmtheit gehört, besonders wichtig ist, das eigene
Glaubensgut und die eigenen Traditionen - soweit sie nicht wirklich
überholt sind - in die gesamte Menschheitskultur einzubringen.
Wir evangelischen Sudetendeutschen wissen uns von unserer Geschichte und
Tradition in Zentraleuropa dazu in ganz besonderer Weise berufen.
Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe
erwählt hat!
Psalm 33,12
Quellenangaben
Die evangelischen Sudetendeutschen. Die Unverlierbarkeit evangelischen
Kirchentums aus dem Osten Bd. 2/1, Düsseldorf 1970
Lehmann, Ernst / Piesch, Hugo / Zahradnik, Paul: Um Glaube und Heimat,
Melsungen, 1957
Wehrenfennig, Erich: Mein Leben und Wirken, Melsungen 1956
Memorandum zur Lage der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen,
Mähren und Schlesien, Kirnbach 1966
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