Johannes-Mathesius-Gesellschaft
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Èeská verze

    Der Hussitenkönig Georg von Podiebrad

    Ohne den Vorwurf der Übertreibung herauszufordern, darf man König Georgius Primus wie er sich auf den Prager Groschen seiner Regierungszeit selbst nennt, als singuläre Erscheinung nicht nur unter allen Trägern der böhmischen St. Wenzelskrone, sondern auch im Kreise der zeitgenössischen Herrscher als merkwürdigsten Monarchen seiner Zeit bezeichnen. Diese Wertung wird allgemein geteilt und begleitete ihn durch die Jahrhunderte. Vordergründig geht es dabei um die Problematik der Legitimität des vom kurialen römischen Katholizismus bestrittenen, vom territorial emanzipierten hussitischen Utraquismus aber gestützten Königtums. Daneben war er zwar Nutznießer des zu seiner Zeit einander bereits seit Jahrhunderten symbiotisch begegnenden tschechischen und deutschen Kulturerbes, dabei aber auch mancherlei Belastungen durch nationale Unterschiedlichkeiten ausgesetzt. Damit wurde er automatisch zur Leit- und Integrationsfigur widersprüchlicher Richtungen, konnte indessen niemals sein gesamtes Herrschaftsgebiet qua "Natio Bohemica" repräsentieren, weil darin stets auch Katholiken oder Deutsche oder Polen inbegriffen hätten sein müssen. Er ist eine jener interessanten Gestalten der Weltgeschichte, die eine Stellungnahme ihrer Betrachter förmlich herausfordern. Dabei stoßen wir hier auf das Paradoxon, daß der historische Georg von Podiebrad es zeitlebens vermochte, sich seinerseits den ihm immer wieder abgeforderten offiziellen Entscheidungen persönlich zu entziehen.

    Der nachmalige König Georg von Podiebrad entstammte einer bereits zur Zeit König Wenzel I. (1205-1253) als Burggrafen u.a. der mährischen Landeshauptstadt Olomouc (Olmütz) in Erscheinung getretenen Familie[1]. Einer ihrer späteren Vertreter, der mährische Herrenstandsangehörige Boèek von Kun¹tat, erwarb das böhmische Incolat und setzte sich auf der im östlichen Mittelböhmen gelegenen Burg Podìbrady (Podiebrad) fest. Dort wurde Georg als Sohn des Viktorin von Podiebrad am 23. April 1420 geboren. Seine Mutter, Anna von Vartemberk (Wartenberg) entstammte einem im Laufe der Landesgeschichte, vielfältig auch als "Herren von Ralsko", in Erscheinung getretenen Seitenzweigs des bedeutenden Hauses der Witigonen. Da Viktorin bereits anfangs des Jahres 1427 verstarb, übernahm ein Verwandter, Herald von Kun¹tat (Kunstadt) und Lestnice (Lestnitz) bis zu Georgs im Jahre 1437 erlangter Volljährigkeit die Verwaltung des Erbes. In jener Zeit nannte sich Georg gelegentlich auch nach den Herrschaften Buzov (Busau), Chornice (Kornitz) oder Tøebova (Mährisch Trübau).

    Der nur fünf Jahre nach dem spektakulären Feuertod des Mag. Johannes Hus geborene Georg war von frühester Jugend an mit den das Land erhitzenden politischen und religiösen Leidenschaften konfrontiert worden. Einen Höhepunkt derselben bildete die 1434 in der Schlacht von Lipany (Lipan) ausgetragene Entscheidung zwischen den die Basler Kompaktaten vertretenden Utraquisten und deren radikalen taboritischen Gegnern, welche mit der Niederlage der letzteren endete. In den die Öffentlichkeit bewegenden landespolitischen Dingen schloß sich der junge Standesherr Georg den vielseitigen Aktivitäten seines persönlichen Vorbilds, Hynek/Hynce (Heinrich) Ptáèek von Pirkstein an. Mit ihm verband ihn eine bis zu dessen Tod währende enge persönliche Freundschaft. Kurz nach dem Tod von König Albrecht (1439) wurde Georg zusammen mit Jan Smiøický zum Hauptmann des Bunzlauer Kreises gewählt. Von da an finden wir ihn vielfach als Teilnehmer in aktuelle Ereignisse des politischen Zeitgeschehens eingebunden. So nahm er z.B. im Mai 1441 an einer militärischen Intervention gegen Jan Kolda ze ®ampachu teil[2]. Bereits wenig später gehörte er dem Reisegefolge der Kaiserin Barbara[3] von Chrudim nach Mìlník, wo sie während der Vierziger Jahre lebte, an. Auch der im März 1442 zu Königin Elisabeth[4] und König Friedrich[5] abreisenden Gesandtschaft zwecks Klärung der Bedingungen einer böhmischen Kronprätendentur des 1440 geborenen Prinzen Ladislaus (Postumus) gehörte Georg von Podiebrad an.

    Im Jahre 1444 verstarb Hynek Ptáèek von Pirkstein. Er hatte das große Verdienst, als Nichttheologe zwischen dem profilierten Geistlichen Jan Rokycana und dessen Pøíbramer Gegner Petr Chelèický ((Peter von Cheltschitz) vermittelt und dadurch die utraquistische Einheit gestärkt zu haben. Bereits damals hatte der vierundzwanzigjährige Georg sowohl als politischer Praktiker wie auch als staatsmännisch denkender Kopf so hohes Ansehen gewonnen, daß die utraquistische Herrenunion ihn in Kutná Hora (Kuttenberg) zu ihrem Führer erkor. Man darf unterstellen, daß diese Wahl ihm nahezu automatisch auch die vorher von Ptáèek innegehabten Kreishauptmannschaften von Kouøím, Èáslav (Tschaslau), Chrudim und Königgrätz einbrachte. Da ist es nicht verwunderlich, daß den jungen Landespolitiker auch mit dem geistlichen Exponenten der Utraquisten, Jan Rokycana, mancherlei Beziehungen verbanden, denen sowohl praktische wie dogmatische Affinitäten zu Grunde lagen. Anfangs 1445 erwählte Kaiserin Barbara den jungen Standesherrn von Podiebrad zu ihrem Bevollmächtigten, den sie mit der Wahrnehmung ihrer gesamten im Lande gelegenen Rechte und Interessen betraute. Immerhin verblieb diesem daneben aber noch hinlänglich Zeit zur Erledigung familiärer Angelegenheiten. So etwa gelang es ihm, im Oktober 1445 die im Vorjahr erfolgte treulose und verräterische Hinrichtung seines Vormunds Herald von Kunstadt und Lestnitz durch die Brünner, welche das ganze Land in Erregung versetzt hatte[6], zu rächen.

    Aber auch die "große" Politik nahm Georg in Anspruch. So war er an den mit dem römisch-deutschen König Friedrich geführten Verhandlungen um die Annahme von dessen Mündel, Prinz Ladislaus; als König von Böhmen beteiligt. Georgs Hauptwidersacher, Ulrich von Rosenberg, zog den Ablauf bewußt in die Länge, ebenso wie er auch die Auseinandersetzung mit der römischen Kurie um die Basler Kompaktaten und die Installation Rokycanas als Prager Erzbischof erschwerte. Ein Versuch des im Jahre 1448 als päpstlicher Nuntius in Prag eingetroffenen Kardinals loannes von Carvajal, die konfessionellen Gespräche neu anzustoßen, endete nach mancherlei Mißhelligkeiten mit dessen Flucht aus der Stadt. Dabei gelang es Georg, ihm bei Bene¹ov (Beneschau) die beschlagnahmten Kompaktaten wieder abzujagen. Dies stärkte seine Stellung innerhalb des utraquistischen Lagers ganz beträchtlich. Dort war man inzwischen zur Meinung gelangt, daß auf dem Verhandlungswege in Böhmen stabile Konfessionsverhältnisse wohl nicht erreichbar sein würden. Deshalb einigten sich die utraquistischen Herren im Juni 1448 zu Kuttenberg auf eine radikalere Vorgehensweise. Hierzu kam ihnen ein Besuch Ulrichs von Rosenberg bei Friedrich in Österreich sehr zustatten. Am 3. September, vor Tagesanbruch, drangen Georgs Parteigänger ohne auf Widerstand zu stoßen, in die Hauptstadt Prag ein, die sie im Handstreich nahmen. Der Oberstburggraf, Meinhard von Hrádek, wurde festgenommen und nach Podiebrad in Gewahrsam gebracht. Unter dem Jubel des Volks wechselte Georg das Stadtregiment aus und berief, während der Adel sich fügte, auch den als Repräsentant des gesamten utraquistischen Klerus allseits anerkannten Jan Rokycana in die Stadt. Freilich kam es damals auch zu nicht unbeträchtlichen Klöster-, Deutschen- und Judenplünderungen, die erhebliche Turbulenzen und Abwanderungen zur Folge hatten. Georg bemühte sich zielstrebig, die Wogen zu glätten. Er verhielt sich in der Stadt äußerst maßvoll, verfolgte keinen der Amtsenthobenen und berief als Nachfolger Meinhards den Spitzenmann der römisch-katholischen Herren, Zdenko Konopi¹tský von Sternberg.

    Ungeachtet dessen, daß die böhmischen Stände Georg von Podiebrad zum Reichsverweser ernannt hatten, dauerten die Spannungen weiterhin an, und beide Seiten suchten auch im Ausland Verstärkung. Dennoch brachte weder die seitens des Rosenbergers erfolgte Einbeziehung Friedrichs von Meißen, noch Georgs Allianz mit Wilhelm von Meißen und Markgraf Friedrich von Brandenburg eine dauernde Stabilisierung der Lage. Immerhin kam man überein, neuerlich bei König Friedrich, der sein Mündel den streitenden Parteien nicht ausliefern wollte, zwecks Überstellung von Prinz Ladislaus Postumus nach Böhmen zu intervenieren. Das Ergebnis war ein im Juli 1451 zu Bene¹ov nad Èernovce erfolgtes Zusammentreffen der böhmischen mit einer österreichischen Gesandtschaft. Kurzfristig gesehen war diese Begegnung zwar ergebnislos, führte indessen Georg von Podiebrad erstmals mit dem Bischof von Siena, dem vielseitigen Spitzendiplomaten Friedrichs, Enea Silvio de Piccolomini, persönlich zusammen.

    Von dem auf den St. Georgstag 1452 einberufenen Landtag wurde Georg von Podiebrad angesichts der Minderjährigkeit des Kronprätendenten einstimmig zum Gubernator des Königreichs Böhmen erwählt, er bemächtigte sich ohne zu zögern der Kroneinkünfte, besetzte Gerichte und Landesämter neu und wandte sich ungesäumt der Herstellung von Recht und Frieden im Lande zu. Trotzdem aber war Ulrich von Rosenberg noch nicht gesonnen, Georg als Sieger anzuerkennen. Um Einfluß zu gewinnen, strebte er danach, sich des jungen Ladislaus zu bemächtigen. Deswegen verband er sich auch bei Friedrichs zwecks seiner Krönung zum römisch-deutschen Kaiser erforderlicher Romfahrt von 1451[7] während dessen Abwesenheit mit aufrührerischen österreichischen Standesherren. Georg zögerte nicht, dem Kaiser mit Waffengewalt beizustehen. Beim Anmarsch eroberte er die vormals dem radikalhussitischen Flügel gehörige Stadt Tábor. Dieses mußte auf seine dort noch erhalten gebliebenen kirchlichen Bräuche sofort verzichten und sich den Utraquisten angleichen. Auch Hluboká (Frauenberg) wurde schnell genommen, und selbst in Èeské Budìjovice (Böhmisch Budweis) war der Widerstand Ulrich von Rosenbergs vergebens; er mußte kapitulieren und Georg von Podiebrad als Landesgubernator anerkennen.

    Inzwischen hatte der Kaiser seinen von Ulrich Eitzinger und Ulrich von Cilly angeführten bisherigen Gegnern den bereits 1440 zum König von Ungarn gewählten Prinzen Ladislaus übergeben. Nach Verhandlungen mit diesen beiden wurde im Jahre 1453 Ladislaus offiziell auch als König von Böhmen akzeptiert, und Georg von Podiebrad für weitere sechs Jahre im Gubernatorenamt bestätigt. Erst im Oktober traf Ladislaus in Jihlava (Iglau) ein. Nach seiner Ankunft und Krönung in Prag (28. 10. 1453) ernannte er im Zuge der Neuregelung von vielerlei Landesangelegenheiten den Gubernator Georg von Podiebrad zum Allerhöchsten Hofmeister. Als solcher begleitete Georg den König ausgangs Dezember 1454 nach Breslau und im Jahre 1455 nach Wien. Im Jahre 1456 gewann er von den sächsischen Fürsten Most (Brüx) und beendete durch die Eroberung von Nachod die Schrankenlosigkeit des Usurpators Jan Kolda. Zwischen Ladislaus und Georg bestand eine nur minimale persönliche Sympathie. Die Animosität des jungen Königs gegenüber Georg, dessen Ratschläge er nur mit Widerwillen zur Kenntnis nahm, war von Anfang an unübersehbar. Es dauerte auch sehr lange, bis es Georg gelang, König Ladislaus aus Wien wieder nach Prag zu bringen. Am 29. September 1457 traf der junge Herrscher endlich ein, um bald danach, am 23.November 1457, in Prag zu sterben.

    Als primär erwägenswerte Kandidaten für Ladislaus Nachfolge auf dem böhmischen Königsthron, vorwiegend auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen, galten: Friedrich von Brandenburg, Albrecht VI., Sigismund von Tirol, Herzog Wilhelm von Sachsen, König Kasimir von Polen. Neben ihnen aber auch Georg von Podiebrad, der, obwohl nicht fürstlichen Geblüts aber utraquistischer Tscheche, letztlich als Sieger über alle anderen hervorging.

    Georgs Königswahl durch die böhmischen Stände fand - allerdings unter Mißachtung bestehender Erbverträge und ohne Beteiligung der Nebenländer - am 2. März 1458 statt. Seine Krönung zum König von Böhmen erfolgte am 7. Mai 1458 in der Prager Theynkirche. Sie wurde in Vertretung des zum Erzbischof designierten Utraquisten Jan Rokycana, dem Rom aber beharrlich die Anerkennung verweigerte, von zwei ungarischen Bischöfen ausgeführt. Freilich hatte der König sich am Vortage gegenüber der römischen Kurie in einem geheimen Revers verpflichten müssen, die Seelenheilsgleichwertigkeit sowohl der unter einerlei wie unter beiderlei Gestalt empfangenen Kommunion anzuerkennen, die römischen Katholiken niemals zu verfolgen und die Ketzerei in seinen Landen auszutilgen. Georgs Königswahl stieß nicht von vornherein in allen Gebieten seines Reichs auf volle Zustimmung. Mährens deutsche Städte Brünn, Olmütz, Iglau, Znaim verweigerten ihm die Anerkennung. So sah sich Georg vor der Notwendigkeit, zu allererst die allgemeine Anerkennung seines Königtums sicherzustellen, und dies nicht nur bei den Mächtigen innerhalb seines eigenen Herrschaftsbereichs, sondern auch bei den benachbarten auswärtigen Mächten.

    Den König von Ungarn, Matthias Corvinus, gewann er, indem er ihm seine Tochter Katharina verlobte. Die mährischen Stände unterwarfen sich endlich doch, ausgenommen Iglau, das mit Gewalt bezwungen und blutig bestraft wurde. Im Zuge einer Zusammenkunft mit Kaiser Friedrich III. vor Wien, wurden Albrecht und Sigismund von Tirol bewogen, allen Ansprüchen auf die böhmische Königskrone zu entsagen. Beim Landtag von Eger (1459) einigte sich Georg mit den sächsischen Nachbarn, Kurfürst Friedrich und Wilhelm, über seit 1453 bestehende Meinungsverschiedenheiten, betreffs der böhmischen Städte Most (Brüx), Osek (Osseg) und Duchcov (Dux) darauf, daß sie auf diese verzichteten, dafür aber mit einer Reihe in den Territorien von Meißen und Thüringen gelegener Herrschaften der böhmischen Krone belehnt wurden. Diese Abmachungen wurden auch familiär untermauert: Georgs Tochter Zdenka (Sidonie) wurde mit Albrecht, dem Sohn Kurfürst Friedrichs, und Wilhelms Tochter Margarete mit Georgs Sohn Hynko (Heinrich) verlobt. Damals erfreute sich Georg eines ihm auch seitens der auswärtigen Potentaten gezollten hohen Respekts, zumal es ihm gelang, auch mit den Kurfürsten von der Pfalz und Brandenburg Freundschaftsverträge abzuschließen. Selbst die sich in dieser Situation isoliert fühlenden Schlesier und Lausitzer unterwarfen sich dem König. Allein die Stadt Breslau verharrte abseits.

    In jenen Tagen bestieg nach dem Tode des friedfertigen Papstes Calixtus III. (6. 8. 1458), der bereits erwähnte vielseitige Diplomat und Gelehrte Enea Silvio de Piccolomini, ein exzellenter Kenner der abendländischen Machtstrukturen, einschließlich jener des Hofs und Reichs von Kaiser Friedrich III., als Pius II. den päpstlichen Thron. Ihm lag, aktualisiert durch den 1453 erfolgten Fall von Konstantinopel, eine ernergische Eindämmung des Vordringens der muselmanischen Türken auf dem Balkan am Herzen. Für einen deswegen geplanten abendländischen Kreuzzug kam dem Königreich Ungarn eine erhöhte Bedeutung zu. Dort aber war ein Teil der Magnaten mit der Herrschaft von König Matthias so unzufrieden, daß man, nachdem Georgs Sohn Heinrich abgelehnt hatte, Kaiser Friedrich III. zum König von Ungarn erwählte. Stark bestimmt durch seinen Kreuzzugsplan, neigte Pius II. in der ungarischen Königsfrage eher zu Matthias. Was Wunder, daß der bedrängte Kaiser seinen angesehenen Nachbarn Georg von Podiebrad um Unterstützung anging. Um bei dieser Interessenlage die Position ihres Favoriten Matthias zu stärken, mußte die Kurie ein Zusammenwirken des Kaisers mit dem, allerdings beiden Seiten Avancen machenden, Böhmenkönig hintertreiben. Der Kaiser seinerseits nützte die Gelegenheit der offiziellen Belehnung Georgs mit dem Königreich Böhmen (Brünn, Juni 1459) weidlich aus, sich dessen Verbundenheit zu sichern. Er erhob Georgs Sohn Viktorin in den Reichsfürstenstand. Dazu ließ er ihm auch andere Wohlwollensbekundungen zukommen, wie die Landeshauptmannschaft in Mähren, sowie das Recht der Münzprägung in der Grafschaft Glatz und dem Herzogtum Münsterberg. So erfolgte daneben die Erneuerung mancher zwischen österreichischen und böhmischen Herrenstandsfamilien bestehender Erbverträge. Hinzu kam ein kaiserliches Privileg, daß die böhmischen Länder zu künftigen Krönungs-Romfahrten 150 Reiter oder ebensoviele Pfund Silbers beistellen sollten[8]. Georg selbst wurde zum Vormund von Friedrichs Sohn Maximilian und Erben Österreich für den Fall bestimmt, daß der kaiserliche Prinz bereits als Minderjähriger sterben sollte. Unmittelbar darauf versöhnte sich der Stellvertreter des Kaisers, Albrecht von Brandenburg, mit Georg. Zudem wurde dieser von den bayerischen Fürsten und dem Kaiser selbst zwecks Regelung ihrer strittigen Angelegenheiten zum Schiedsrichter erwählt. Endlich gebot der Kaiser den Breslauern, Georg als Herrscher anzuerkennen. Am 1. September 1459 leisteten die Schlesier, am 21. September die Lausitzer in Schweidnitz bzw. Jauer den Treueeid. Auch die Breslauer bequemten sich (3. Jänner 1460) zu Georgs Anerkennung, wenn auch mit der Einschränkung, sich momentan zwar den Gegebenheiten zu unterwerfen, den förmlichen Eid aber erst nach drei Jahren leisten zu wollen.

    Damals mag es wohl gewesen sein, daß bei König Georg erste Überlegungen keimten, sich als Initiator eines gegen die Türken zu konzipierenden allgemeinen Friedensplans der römischen Kirche unentbehrlich zu machen und der gesamten Christenheit als "conservator pacis per totum Imperium" zum Retter des Abendlands, Obersten Reichsfeldherrn und - mit etwas Glück - gar zum Träger der römisch-deutschen Königskrone anzudienen. Über dieses ehrgeizige Projekt, das man inzwischen ziemlich einhellig Georgs Rat, dem vormaligen Mainzer Kanzler Dr. Martin Mayr (Mayer, Maier)[9] zuschreibt, wurde an anderer Stelle berichtet[10]. Es leuchtet ein, daß von solchen Spekulationen Kaiser Friedrich III. nicht unberührt bleiben konnte. Immerhin hatten auch die unzufriedenen Standesherren in Österreich und Ungarn Georg um Unterstützung gebeten, die ihnen nicht abgeschlagen wurde. Georg war nämlich zur Auffassung gelangt, daß eine grundsätzliche Verbesserung seiner Beziehungen zu König Matthias erwägenswert sei. So kam es bereits im Jahre 1460 in Ko¹ice (Kaschau) und wiederum 1461 in Trenèín (Trentschin) zu einvermehmlichen Kontakten. Als dann die Verhältnisse im Reich zu militärischen Aktionen führten, stand Georg gegen den Kaiser. Auch wurde im Juni 1462 der brandenburgische Kurfürst in Guben genötigt, die Niederlausitz bis auf Cottbus gegen Ersatz von 10.000 Schock Böhmischer Groschen der böhmischen Krone abzutreten.

    Ungeachtet seiner in den frühen Sechziger Jahren erlangten, vordergründig allseits gesicherten Position im Kreise der Reichsfürsten, kam Georg von Podiebrad sehr bald in die Lage, sich rundum defensiv verhalten zu müssen, um nicht zwischen den Mühlsteinen an ihn von außen herantretender Erwartungen Dritter zerrieben zu werden. Daß dabei angesichts seines glänzenden Aufstiegs auf einen Königsthron neben seinen wirklich oder nur vermeintlich abgegebenen Zusagen auch persönlicher Neid eine Rolle spielte, liegt nahe. Tatsache ist, daß man sowohl seitens der römischen Kurie als auch seitens der utraquistischen böhmischen Herren von ihm eine jeweils antagonistische Politik einforderte. Seitens der Utraquisten war dies die uneingeschränkte Einhaltung der am Basler Konzil 1433 analog den Vier Prager Artikeln von 1420 fixierten Kompaktaten. Seitens der Kurie bestand die Forderung von Georgs vorbehaltloser Unterwerfung unter die Autorität des Papstes, welche Voraussetzung einer "internationalen" Legitimierung seines Königtums war.

    Diese Gegensätzlichkeiten belasteten Georgs gesamte Regierungszeit. Zwar erwies er sich dabei keineswegs als der Schwächling am Königsthron, den manche erhofft haben mögen, dennoch konnte er nicht immer Maßnahmen vermeiden, die ihm persönlich contre coeur waren. So etwa, als er 1461 offiziell gegen die stark angewachsenen Böhmischen Brüder einschritt, um sich dem insistierenden Papst gegenüber ein Alibi zu schaffen. Dennoch erwies dieser Beschwichtigungsversuch sich als untauglich, denn Pius II. erhöhte fortlaufend seine Forderungen. Endlich legte er Georgs vor seiner Krönung abgegebene Verpflichtungserklärung gar dahingehend aus, daß der König dadurch zum römischen Katholizismus konvertiert und zur ungesäumten, vollständigen Austilgung des Utraquismus in seinen Ländern verpflichtet sei. Von dieser überextensiv interpretierten Auslegung seines Versprechens in die Enge getrieben, entschloß sich Georg, eine Sondergesandtschaft nach Rom zu senden. Sie sollte Pius II. der ungebrochenen Ergebenheit des Königs versichern und dabei im Gegenzug eine neuerliche Bestätigung der Kompaktaten erwirken und mitbringen. Der Papst indessen hob die Kompaktaten abseitig auf, nachdem sich Georg am 12.August 1462 vor dem böhmischen Landtag als Verteidiger des Kelchs erklärt hatte. Dies geschah auch deshalb, weil der päpstliche Legat Fantinus de Valle ihn eidbrüchig genannt hatte und vom beleidigten König verhaftet worden war. Damit war für Georg sein Streit mit der römischen Kurie in ein neues Stadium getreten. Später kam hinzu, daß Georg seiner am 15. Juni 1464 durch Pius II. erfolgten Zitation vor ein Ketzergericht ebensowenig Folge leistete, wie deren Wiederholung durch Papst Paul II. am 2. August 1465. So kam es, daß nach Verstreichen der ihm gesetzten Fristen am 23. Dezember 1466, König Georg von Podiebrad mitsamt seiner Familie als verstockter Ketzer endgültig exkommuniziert und für seiner Königswürde entkleidet erklärt wurde.

    Gleich anfangs dieser dramatischen Entwicklung hatten die Breslauer die Ablehnung des Georg in Aussicht gestellten Lehenseids wahrgemacht. Bald folgten auch Aufrufe an Schlesier und Lausitzer zur allgemeinen Ablehnung des Ketzerkönigs. Ansonsten fanden die kurialen Maßnahmen gegen Georg nicht nur bei jenen Zustimmung, die Georg aus Glaubensgründen ablehnten, sondern auch bei allen anderen, die ihn aus unterschiedlichsten Motiven haßten. Die Mehrzahl der Letztgenannten stellten böhmische Herren, angeführt durch Zdenko Konopi¹tský von Sternberg. Georg mißfiel ihnen wohl als energischer Herrscher, der den oligarchischen Bestrebungen des böhmischen Adels widerstand. Man bildete eine Opponentenorganisation, veranstaltete Zusammenkünfte und streute haltlose Gerüchte gegen den König aus. Deren Inhalt indessen schenkte der Kaiser Glauben und verbündete sich mit den böhmischen Herren. Am 25. November 1465 schloß man in Zelená Hora (Grünberg) einen förmlichen Bund, der seinerseits mit dem Papst paktierte und insbesondere anregte, anstatt Georgs den polnischen König Kasimir auf Böhmens Thron zu installieren, was der Pole indessen ablehnte. Dennoch war eine Sicherung von Georgs Position nur noch mit kriegerischen Mitteln möglich.

    So wurden denn alsbald die befestigten Burgen der Widerstand leistenden Standesherren belagert, und gegen die Breslauer war Georgs Sohn das Kriegsglück hold. In der Lausitz vermochte Georg sich nur in Hoyerswerda zu behaupten. Im Juli 1467 bemühte man sich vergeblich, in Nürnberg aus dem Kreise der deutschen Fürsten Verbündete gegen Georg zu gewinnen. Der als einziger Hilfswillige, Herzog Ludwig von Bayern, wurde am 22. September 1467 bei Nýrsko (Neuern) geschlagen. Zugleich erwies es sich als schwierig, einen ernstzunehmenden neuen Aspiranten auf den böhmischen Königsthron zu erlangen. Nach König Kasimir hatte Herzog Karl von Burgund ebenso abgelehnt, wie der Brandenburger Kurfürst Friedrich, bis es den Unzufriedenen endlich gelang, in Matthias Corvinus einen in ihrem Sinne präsentablen Kandidaten zu interessieren.

    Freilich war dabei allen Beteiligten klar, daß König Georg freiwillig nicht resignieren, mithin Waffengewalt entscheidend sein werde. Somit kam es am 31.März 1468 zur offiziellen Kriegserklärung des sich als Protektor des Katholizismus ins Geschehen einführenden Ungarn. Die Kämpfe gingen hin und her, Matthias vermochte es, das Städtchen Tøebíè (Trebitsch) zu nehmen. Daneben befanden sich bereits auch Olmütz, Brünn und andere mährische Städte in seiner Hand. Aber auch in der Lausitz (Hoyerswerda) und Schlesien (Frankenstein) verlor Georg Terrain. Im Jahre 1469 rückte Matthias gar auf das böhmische Kutná Hora (Kuttenberg) vor. Dabei wurde er aber bei Vilémov (Wilimow, Kreis Havlíèkùv Brod) von den böhmischen Truppen umschlossen. Nur vermöge eines großmütigen Angebots König Georgs (28. Feber 1469) vermochte Matthias eine entscheidende Niederlage zu vermeiden. Dabei mußte er König Georg geloben, sich für dessen Aussöhnung mit dem Papst zu verwenden und auch die Kriegshandlungen einzustellen. Indessen waren diese Versprechungen kaum sehr ernsthaft gemeint, denn bereits am 9. Mai 1469 ließ sich Matthias zufolge einer diesbezüglichen Offerte der Grünberger Union in Olmütz zum böhmischen König wählen. Kurz danach konnte er die Huldigung von Breslau und etlichen schlesischen Fürsten entgegennehmen; die Lausitz hatte sich bereits 1467 von Georg ab- und Matthias zugewandt.

    Die nochmalige Exkommunikation des Ketzers und seiner Anhänger, sowie die Bedrohung aller Sympathisanten mit dem Interdikt (20. August 1469), führten nebst mannigfachen anderen Widrigkeiten bei Georg von Podiebrad zur bitteren Einsicht, daß es ihm nicht gelingen werde, die böhmische St. Wenzelskrone innerhalb seiner Familie zu erhalten und somit analog zu seinem einstmaligen Vorgänger, Fürst Przemysl, eine landeseigene Herrscherdynastie zu begründen. Er bot deshalb die Krone dem polnischen Königshaus für Prinz Wladislaw an, während der Krieg auf einem sich ausweitenden Kampfgebiet seinen blutigen Verlauf fortsetzte. Im Jahre 1470 unternahm Matthias neuerlich erfolglose Vorstöße in den Raum von Kuttenberg und Kolín. Inzwischen aber hatten die vielen blutigen Kriegshandlungen und kostenträchtigen Strapazen verständlicherweise bei allen Beteiligten die Kriegslust erlahmen und die Siegeszuversicht sinken lassen. Weder Matthias noch Georg, weder der Papst noch die böhmischen Herren mochten weiterkämpfen. Allseitig breitete sich eine Tendenz zu Waffenstillstand und Friedensverhandlungen aus. Deren erste Präliminarien waren eingeleitet, als am 22. März 1471 König Georg von Podiebrad an Wassersucht verstarb. Man bestattete seinen Körper an der Seite von König Ladislaus Postumus im Prager St. Veitsdom, einen Teil der inneren Organe aber in einem Holzfäßchen neben seinem langjährigen Weggefährten, dem "Hauptpfarrer am Theyn" Jan Rokycana, an dessen Wirkungsstätte im Herzen der Altstadt von Prag.

    Im weiteren Verlauf der Historie trat die Familie des "Ketzerkönigs" nicht mehr besonders hervor. Daran änderte nichts, daß seine von ihm mit Troppau, Münsterberg, Frankenstein sowie Glatz belehnten und vom Kaiser in den Reichsfürstenstand erhobenen Söhne später zum Katholizismus übertraten. Im Mannesstamm erlosch das Haus Podiebrad bereits im Jahre 1647, hingegen wurde Georgs mit Herzog Albrecht I. verheiratete Tochter Sidonie zur Stammmutter des sächsischen Königshauses.

    Gerhard Messler


    Anmerkunen

    [1] Urbánek, Bd.IV, Seite 14.

    [2] An dieser Aktion mag Georg besonders ambitioniert teilgenommen haben, denn der bekämpfte Kolda hatte erst wenige Jahre vorher (1437) die Georg von Podiebrad gehörigen Besitztümer Náchod und Èernikovice unter Assistenz seines Verwandten Mike¹ Hlo¹ek ze ®ampachu mit Gewalt an sich gebracht.

    [3] Barbara von Cilly, 2. Gemahlin <1408) von Kaiser Sigismund, dem 2. Sohn von Kaiser Karl IV., verstorben 1451.

    [4] Tochter von Kaiser Sigismund. Verheiratet 1421 mit König (1438) Albrecht von Böhmen, verwitwet 1439.

    [5] Römisch-deutscher König 1440 und Vormund von Ladislaus Postumus.

    [6] Urbánek, Bd.IV, Seite 132.

    [7] Diese war die erste Krönung eines Habsburgers in Rom, zugleich aber auch die letzte dort stattgehabte Kaiserkrönung.

    [8] Dieses im hiesigen Zusammenhang ein wenig unvermittelt wirkende Privileg bezieht sich auf einen Passus in einer damals bereits 250 Jahre alten Kaiserurkunde, der sogenannten Sizilianischen Goldenen Bulle. Am 26.September 1212 wurde sie Przemysl Ottokar I. erteilt und verbrieft diesem und den nachfolgenden böhmischen Herrschern die erbliche Königswürde. Darin ist auch die von Böhmen dem designierten Kaiser für seine Romfahrt zur Krönung zu stellende Eskorte auf wahlweise 300 Kämpfer oder 300 Pfund Silbers festgelegt. Somit wurde Georg eine Halbierung dieser Verpflichtung gewährt.

    [9] Brockhaus, a.a.O., Seite 262.

    [10] Messler, Gerhard, Das Weltfriedensmanifest König Georgs von Podiebrad - Ein Beitrag zur Diplomatie des 15.Jahrhunderts, deutsche Übersetzung; Johannes-Mathesius-Verlag, Kirnbach 1973.



Reformation:

> Johannes Mathesius (1504-1565)
> Jan Hus und die hussitische Bewegung
> Der Hussitenkönig Georg von Podiebrad
> Die Brüderunität (Unitas fratrum)
> Friedrich Reiser (1401-1458)
> Balthasar Hubmaier (1480-1528)
> Kaiser Karl IV. und die Vertreibung der Juden aus Nürnberg
> Rat an König Georg - eine Denkschrift
> Das Archiv des Brüderbischofs Matou¹ Koneèný
> David Zeisberger (1721-1808)
> M. Wernisch: Die Unität der Böhmischen Brüder
> J. Just: Neue Forschungen zur Reformationsgeschichte
> J. Èepelák: Tschechisch-deutsche Beziehungen im Überblick
> Die Entstehung der Toleranzgemeinden in Prag

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